Am ersten Tag der offenen Tür kommen mehrere Tausend Besucher in das Museum Berggruen

2290, klick, 2291, klick, 2292, klick. Der Daumen des Kontrolleurs am Eingang des wieder eröffneten Stülerbaus kommt am Sonnabend nicht zur Ruhe. Knapp 2300 Besucher haben bis zum späten Nachmittag die Sammlung Berggruen besucht. Das zeigt der Handzähler des Mitarbeiters an. Unterbrochen wird das Zählen nur, wenn der Einlass kurz gestoppt wird. Erst wenn eine bestimmte Anzahl Besucher das Haus verlassen hat, können wieder Gäste in die Ausstellung gelassen werden. Das gehe seit dem Vormittag so, sagt der Kontrolleur.

Auf der Charlottenburger Schloßstraße warten eineinhalb Stunden vor Feierabend um 18 Uhr noch geschätzte 200 Personen. Und immer wieder stellen sich weitere Besucher an. Die Wartezeit beträgt teilweise zwischen 45 und 60 Minuten. Und das, obwohl es keinen Kartenverkauf gibt, der Zeit in Anspruch nehmen würde. Zur Wiedereröffnung des Museums nach den Bauarbeiten ist der Eintritt an diesem Wochenende kostenlos.

Zwei Jahre dauerte der Umbau des Museums Berggruen gegenüber des Schlosses Charlottenburg. Seit Sonnabend kann die einzigartige Picasso-Sammlung im sanierten Stülerbau wieder besucht werden. Bereits vor 10 Uhr, der offiziellen Öffnungszeit, stehen die Berliner also Schlange. Sie wird auch nicht kürzer, denn sobald ein Schwung Menschen in der Ausstellung verschwindet, bilden sich umgehend neue Schlangen. Auch als die Sonne längst hinter den Häusern verschwunden ist, Wind und Kälte den Wartenden zusetzen, harren die Berliner aus. Sie hüpfen auf der Stelle, um warm zu werden, und drücken die Gesichter bei jeder frostigen Windböe tiefer in den Mantelkragen.

„Es ist Sonnabend, ich habe Zeit, und ich wollte unbedingt die Ausstellung besuchen“, sagt Sigrid Pöhner aus Dahlem. Knapp 45 Minuten wartet sie schon auf Einlass. Vor ihr stehen noch rund 50 andere Kunstinteressierte. „Ich habe die Ausstellung vor ein paar Jahren schon einmal besucht. Jetzt interessieren mich auch die baulichen Veränderungen.“ Nach knapp einer Stunde des Wartens tritt Hans Quade nebst Ehefrau ins Gebäude. Doppelklick am Handzähler des Einlasskontrolleurs, dann senkt sich erneut sein Arm. „Wir wollten am Eröffnungstag zu den ersten Besuchern gehören“, sagt das Ehepaar Quade aus Lankwitz. „Der Eintritt ist kostenlos, und wer weiß, wann wir mal wieder Zeit für einen Museumsbesuch haben.“ Recht pragmatisch sehen die Schwestern Susanne und Lydia Neumann das Anstehen. „Wir warten 45 Minuten und sparen 20 Euro Eintritt“, rechnen sie vor. Das sei doch an angemessener Stundenlohn. „Es könnte nur wärmer sein.“

Die Passage ist sonnendurchflutet

Zwei Jahre waren die mehr als 160 Kunstwerke im Depot verschwunden. darunter mehr als 80 Werke von Picasso, mehr als 50 von Paul Klee sowie Bilder von Matisse, Cezanne und van Gogh. Die Gemälde des Kunstmäzens Heinz Berggruen (1914 - 2007) gelten als eine der weltweit bedeutendsten privaten Sammlungen der klassischen Moderne. Der bisher genutzte Stüler-Bau wurde um das benachbarte Kommandantenhaus erweitert. Beide denkmalgeschützten Gebäude wurden Dank des Umbaus mit einer modernen Pergola aus Glas und Stahl miteinander verbunden. An diesem Wintertag ist die Passage sonnendurchflutet. Von ihr aus haben die Besucher einen Blick auf den von alten Bäumen umsäumten Skulpturengarten, der nach Berggruens Ehefrau „Bettina Berggruen Garten“ genannt wird.

„Dieser gläserne Verbindungsgang allein ist schon ein Besuch wert“, sagen Heidemarie und Joachim Hansen. „Es ist ein wunderbarer Ausblick.“ Das Ehepaar wohnt in der Nachbarschaft und hat das Museum bereits einige Male in den vergangenen Jahren besucht. Die Warterei habe sich gelohnt. „Die neuen Räume bieten reichlich Platz vor den Bildern“, sagen sie. „So konnten wir trotz der vielen Besucher die Bilder in Ruhe und ungestört betrachten.“ Es sei bestimmt nicht der letzte Besuch gewesen, verraten sie. „Ich bin einfach überwältigt von der Vielzahl der Kunstwerke“, sagt auch Hannelore Reimund. „Auch die kleineren Bilder haben viel Platz, um richtig wirken zu können.“ Nach dem rund 7,6 Millionen teuren Umbau hat die Ausstellung jetzt eine Fläche von mehr als 1200 Quadratmetern auf drei Etagen, und damit mehr als doppelt so viel wie bisher. Dennoch sei der kleine, fast intime Charakter der Räume erhalten geblieben, schwärmten Kunstkenner am vergangen Freitag, dem Eröffnungsabend. „Durch das Kommandantenhaus erfährt dieses Museumsjuwel eine wunderbare Weiterentwicklung“, sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).

Wert von 750 Millionen Euro

Besitzer der Sammlung ist die vom Bund und den Ländern getragene Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der Kunstmäzen Berggruen überließ der Stiftung 1996 seine Schätze zunächst als Leihgabe für zehn Jahre. Im Dezember 2000 kaufte die Stiftung die Sammlung für einen symbolischen Preis in Höhe von 129 Millionen Euro. Geschätzt wurde der Wert der Bilder vor Jahren auf 750 Millionen Euro. Nach dem Tod des Sammlers und Kunsthändlers 2007 erweiterten seine Erben, unter ihnen Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen, die Sammlung um weitere Leihgaben.

Der Berliner Ehrenbürger Heinz Berggruen wurde 1914 in Berlin geboren, musste 1936 das nationalsozialistische Deutschland verlassen. 1944 kehrte er als amerikanischer Soldat nach Europa zurück. Drei Jahre später gründete er in Paris seine erste Galerie und legte damit den Grundstock für seine Sammlung. Die überließ er später seiner Geburtsstadt Berlin. Sein Credo lautete: „Die Bilder wollen nicht an ihrer eigenen Schönheit sterben. Sie wollen betrachtet und genossen werden.“ Auch, wenn man dafür lange anstehen muss.