Brandenburg wusste frühzeitig von der Notlösung für den Brandschutz am BER. Die CDU verlangt Konsequenzen

Vergangene Woche sah es noch ganz gut aus für Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Während sein Amtskollege in Berlin, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), wegen des BER-Debakels in der Dauerkritik steht, konnte Platzeck den Kompromiss beim Schallschutz als seinen Sieg verkaufen. Doch lange hatte Platzeck nicht Zeit, um sich darüber zu freuen.

Die CDU hatte für Dienstag eine Sondersitzung des Landtags wegen des Flughafen-Debakels beantragt. Dabei kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Sie gipfelte darin, dass der amtierende CDU-Fraktionsvorsitzende, Dieter Dombrowski, den Rücktritt von Platzeck (SPD) forderte. "Wenn die Dinge schief laufen ist Ministerpräsident Platzeck die personifizierte Nichtzuständigkeit", so Dombrowski. Stattdessen versuche er, "die katastrophale Entwicklung" am BER als eine Art höhere Gewalt darzustellen.

Es ist nicht verwunderlich, dass diese Debatte gerade jetzt hochkommt. Ein wichtiger Grund sind die enttäuschten Erwartungen nach der Aufsichtsratssitzung in der vergangenen Woche. Dabei wurde mit Ausnahme des Lärmschutzes kaum ein nennenswertes Ergebnis verkündet. Zeitplan, Inbetriebnahme und Kosten sind nach wie vor nicht geklärt. Mit Ausnahme des ehemaligen Technikchefs Manfred Körtgen musste auch keiner aus der Flughafengesellschaft die Verantwortung für das Baudesaster übernehmen.

Gründe für Rücktritt

Genau damit begründete auch Dombrowski seine Rücktrittsforderung. Weder zum Finanzierungsdebakel noch zu den Terminschwierigkeiten habe Ministerpräsident Platzeck Antworten gegeben. Er habe die Gelegenheit verstreichen lassen, seinen "Anteil der Verantwortung für das Flughafen-Desaster" zu erklären. Für FDP-Fraktionschef Andreas Büttner hat der gesamte Aufsichtsrat "gnadenlos versagt." Platzeck versuchte sich gegen die Angriffe durch eine eigene Attacke zu verteidigen. So warf er insbesondere der Union vor, das Milliardenprojekt schlecht zureden, und sprach ihr daher die Regierungsfähigkeit ab. Jetzt komme es darauf an, einen funktionierenden Flughafen fertigzustellen, sagte Platzeck. Dabei gingen Sorgfalt und Umsicht vor Tempo.

Mit der angesprochenen Sorgfalt haben es Geschäftsführung und Aufsichtsrat des Flughafens zuvor allerdings selbst nicht so genau genommen. Das geht aus der Antwort auf einer parlamentarischen Anfrage der Grünen zu den Verantwortlichkeiten beim BER hervor, die der Berliner Morgenpost vorliegt. Darin steht, dass die Flughafengesellschaft in den Jahren 2011 und 2012 "insgesamt rund 120 förmliche Mangelrügen" gegenüber der Planungsgesellschaft pg bbi ausgesprochen hat. Ganz offensichtlich gab es hier schon länger Grund zu Beanstandungen.

Aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine weitere parlamentarische Anfrage der Grünen geht hervor, dass schon seit Jahresende 2010 bei der technischen Gebäudeausrüstung erstmals Verzögerungen entstanden. "Seit Mitte 2011 sind infolge der Erweiterung der Entrauchungsanlage bei den Brandschutzanlagen Bauablaufstörungen entstanden", heißt es. Entgegen der Erwartungen der Flughafengesellschaft hätten diese Probleme nicht durch Umstellungen der Bauabläufe und Beschleunigungen hinreichend beseitigt werden können.

Kenntnis der Probleme

Zudem soll pg bbi "als gesamtverantwortliche Generalplaner und Koordinator der Baustelle im Januar 2012 als Kompensation des eingetretenen Bauverzugs den Vorschlag einer Halbautomatisierung der Entrauchungsanlage" gemacht habe. Demnach war damals schon die später als "Mensch-Maschine-Schnittstelle" bekannt gewordene Lösung im Gespräch. Zumindest in der Brandenburger Staatskanzlei hätte man darüber Bescheid wissen müssen. Denn sie war ab Ende Februar an der Task Force Brandschutz beteiligt und folglich in den "Informationsaustausch hinsichtlich des Interimskonzepts" eingebunden. Für Brandenburg sitzen unter anderem Ministerpräsident Platzeck und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) im Aufsichtsrat. Sie wollen aber bei der Aufsichtsratssitzung am 20. April erstmals von der später hoch umstrittenen Zwischenlösung gehört haben.

In Berlin treffen sich am heutigen Mittwoch die Gesellschafter des Flughafens, um über den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 zu beraten. Im Vorfeld war spekuliert worden, ob dabei auch die formelle Entlastung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats erfolgen soll. Dies wurde allerdings nicht bestätigt. Dabei geht es um die Frage, ob die Verantwortlichen möglicherweise persönlich für die Probleme am BER haftbar gemacht werden können. So fordern mehrere Oppositionspolitiker den Rücktritt von Flughafenchef Rainer Schwarz. Bislang wurde er noch nicht formal entlastet. Theoretisch könnte die Gesellschaft bei entsprechenden Indizien gegen ihn Schadenersatzansprüche wegen etwaiger Pflichtverletzungen geltend machen.