Stahnsdorf - Das letzte Grün im Ort verschwindet, sämtliche Wege sind zugeparkt und in den Schulen drängeln sich die Schüler aus Platzmangel bereits im Keller und auf dem Dachboden. Schreckgespenste dieser Art malen Alteingesessene in vielen Gemeinden des Berliner Umlands seit Jahren an die Wand - angesichts stetig wachsender Einwohnerzahlen. Zwar kommen jetzt etwa 40 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren, und die ersten Neubürger zieht es bereits retour, so dass allzu optimistische Prognosen jetzt korrigiert werden. Dennoch setzt man vielerorts weiter auf kräftigen Zuwachs, wie in Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark). Bürgermeister und Gemeindevertreter sind dort seit 1990 im Dauerstress, um die Infrastruktur trotz Geldmangels halbwegs zügig dem Bedarf anzupassen.
«Der Ansiedlungsdruck ließ nach, ist aber weiter spürbar», sagt Stahnsdorfs Bürgermeister Gerhard Enser (CDU). Unter den Zuzüglern seien viele Mitarbeiter von Bundes- und Landesbehörden, die vornehmlich in Einfamilienhäusern wohnen wollten. Enser denkt, dass die Einwohnerzahl von derzeit 11 965 in etwa acht bis zehn Jahren auf 15 000 steigen wird. Mehr sei kaum zu verkraften. «Sonst sind wir bald kein Ort im Grünen mehr.»
Das Problem: Neben der allgemeinen Geldknappheit in Brandenburgs Kommunen sitzt Stahnsdorf noch auf einem Schuldenberg von 10,5 Mio. Euro. Gleich nach der Wende wurden überhöhte Kredite für ein gigantisches Gewerbezentrum aufgenommen, die nun getilgt werden müssen. Dennoch baut man zielstrebig an der Infrastruktur: Eine neue Kita mit 114 Plätzen für 1,6 Mio. Euro wird demnächst fertig und im Ortsteil Güterfelde entsteht für 490 000 Euro eine weitere Kita im einstigen Landschulheim.
Die Nachbarstadt Teltow hatte 1989 rund 16 000 Einwohner, derzeit etwa 18 600 und Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) hält 24 000 in den nächsten zehn Jahren für realistisch. Größtes Neubaugebiet ist das so genannte Mühlendorf, wo zunächst 1200 Wohnungen geplant waren. Doch weil der Andrang geringer ausfällt, als erhofft, wurde die Planung jetzt vom Investor korrigiert. Die Stadt freut sich besonders, wenn zahlungskräftige Investoren auch für Straßen und Kitas sorgen. So baut die Deutsche Post AG im Musikerviertel 300 Eigenheime, plus Kita und Einkaufsstätte.
Landesweit Spitzenreiter im Einwohnerzuwachs ist Kleinmachnow: 1990 gab es 11 000, heute 17 400 und in 10 bis 15 Jahren erwartet Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) etwa 22 000. Größtes Problem ist die Enge in den Schulen. CDU-Ortschef Maximilian Tauscher spricht von einem «unverantwortlichen Massenbetrieb» in den zwei Grundschulen; eine dritte müsse her. Blasig plädiert für den Ausbau vorhandener Kapazitäten.
Wirklich prekär sei die Lage im Weinberg-Gymnasium, so Blasig. «Es platzt bald aus allen Nähten.» Eine Folge: Viele Eltern schicken ihre Kinder auf Gymnasien in Berlin. Um bürokratische Hürden zu umgehen, melden Mutter oder Vater bei Verwandten oder Freunden pro forma eine Nebenwohnung an. Der Landkreis Potsdam-Mittelmark als Träger des Gymnasiums müsse diesen «grauen Markt» endlich zur Kenntnis nehmen und entsprechend reagieren.