Festival der Gleichgültigkeit

Nikolaus Doll

Ein Kind ist tot, ein Kind, das nie wirklich erfahren hat, was es bedeutet zu leben. Der Tod des Babys von Stölln macht uns fassungslos, und die Nachricht, wie erbärmlich sein kurzes Leben zu Ende ging, schockiert uns. Schauplatz war das «Shiva Moon»-Festival, eines jener Dance- und Rausch-Events, das sich damit schmückt, «für Frieden zu stehen» - jetzt steht es für Tod. Und für Gleichgültigkeit. Eine Mobiltoilette wird zum Grab eines Neugeborenen - und die Show nebenan geht weiter. Tausende tanzen, als wäre nichts geschehen. Ist unsere Gesellschaft brutaler als sie es zu anderen Zeiten war, als sie es woanders ist? Sicher nicht. Aber sie ist gleichgültiger. Nur so kann es passieren, dass eine Frau auf einer öffentlichen Toilette ein Kind bekommt, und keiner merkts. Dass eine Mutter in Frankfurt (O.) ihre beiden Kinder verhungern lässt, und keiner merkts. Merkt denn niemand, dass der nächste Kindsmord nur eine Zeitfrage ist, wenn wir schon bei den Vorzeichen weggucken?