Potsdam - Der 47-jährige Fahrer des Reisebusses, der am Sonntag auf der A 24 bei Kremmen einen Kleinbus zermalmte und sechs Menschen ums Leben brachte, war zuvor am Steuer eingeschlafen. Davon jedenfalls sind Polizei und Staatsanwaltschaft überzeugt. Die bisherigen Ermittlungen ergaben, dass der Bus erst knapp 70 Meter nach dem Aufprall abgebremst wurde. Dem Sprecher des Potsdamer Polizeipräsidiums, Rudi Sonntag, zufolge ist dies ein deutliches Indiz dafür, dass der Fahrer nicht Herr seiner Sinne war.
Auch der Leitende Oberstaatsanwalt von Neuruppin, Gerd Schnittcher, hält Sekundenschlaf für die wahrscheinlichste Ursache. Nach den Worten von Schnittcher werden die Ermittlungen zu dem Unfall, bei dem fünf Kinder und eine junge Frau starben sowie neun Menschen teils schwer verletzt wurden, mit Hochdruck geführt. «Wir hoffen, dass wir bis Ende der Woche ein genaueres Bild von dem Unfallhergang haben.» Derzeit würden unter anderem die bei Durchsuchungen der Privatwohnung des Busfahrers und des Berliner Busunternehmens sichergestellten Materialien analysiert.
Der 47-jährige Fahrer, der mit dem leeren Reisebus erst eine halbe Stunde lang auf dem Weg an die Ostsee war, bleibt jedoch bei seiner Version, nicht übermüdet gewesen zu sein. Er habe keine Erklärung für das Unglück. Die Ermittlungsbehörden führten inzwischen Befragungen im persönlichen Umfeld des Fahrers durch. Nach Informationen aus Polizeikreisen wird es für möglich gehalten, dass er in der Nacht zum Sonntag bei Verwandten oder Bekannten gewesen sei und deshalb nicht geschlafen habe.
Das Berliner Busunternehmen «Grenzenlos Reisen», für das der Mann tätig war, ließ gestern noch einmal verlauten, dass dem Fahrer ausreichend Ruhezeit eingeräumt worden sei. «Von Sonnabend 16 Uhr bis Sonntagfrüh hatte er Ruhezeit. Uns sind deshalb keine Vorwürfe zu machen», sagte Mitarbeiter Thomas Götzner. In einer Presseerklärung heißt es zudem: «Der Busfahrer ist stets als sicher und besonnen in Erscheinung getreten.» Auch Nachbarn kennen den Mann als zuverlässig und zurückhaltend. Obwohl Fahrer und Busunternehmen technische Mängel ausgeschlossen hatten, soll der Bus untersucht werden.
Die fünf bei dem Unfall getöteten Kinder im Alter zwischen 8 und 13 Jahren befanden sich auf dem Weg in ein Ferienlager. Unter ihnen waren drei Kinder, die zuletzt im Kinder- und Jugendheim «Eva Laube» des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerkes in Potsdam lebten.
Bei einem Besuch in dem Heim mahnte gestern Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz: «Wir dürfen um Gottes willen das Massensterben auf unseren Straßen nicht schicksalergeben hinnehmen. Aber wir dürfen vor Gott klagen und trauern, wenn wir ernsthaft an der Vermeidbarkeit des bösen schnellen Todes arbeiten.»
Frank M., Fahrer des Kleinbusses, in dem die fünf Kinder saßen, ist auf dem Weg der Besserung. «Sein Zustand ist stabil. Er benötigt aus ärztlicher Sicht jedoch absolute Ruhe, wird wahrscheinlich im Laufe des Tages von der Intensiv- in eine normale Station verlegt werden können», sagte gestern Manfred Ronzheimer, Sprecher des Uni-Klinikums Benjamin Franklin.