Potsdam - Von CDU-Landeschef Jörg Schönbohm schon bald nach seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren als «Spaßminister» abgekanzelt, macht Steffen Reiche tatsächlich Stimmung in der märkischen Bildungspolitik: Wenn man Umfragen glauben kann, ist es dem umtriebigen Bildungsminister in seiner kurzen Amtszeit gelungen, der Schule in Brandenburg ein positiveres Image zu verpassen. Fast doppelt so viele Brandenburger als vor zwei Jahren äußern sich zufrieden mit dem Bildungssystem.
Schoben die niederschmetternden Ergebnisse der internationalen Pisa-Studie der wachsenden Zufriedenheit der Brandenburger mit dem Schulsystem keinen Riegel vor, so ist nach dem schlechten Abschneiden des Landes im Bundesvergleich mit einem Einbruch in der zunehmend positiven Bewertung zu rechnen. Denn Brandenburgs Schüler finden sich bei der Lesekompetenz auf dem drittletzten Platz vor Sachsen-Anhalt und Bremen wieder. Beim Kopfrechnen liegen sie nur vor Bremen sogar an vorletzter Stelle.
Was der um frischen Wind bemühte Reiche eine längst notwendige «Informationskampagne» nennt, bezeichnen CDU und PDS als Profilierungsgehabe und Aktionismus. «Was anderen fehlt, hat er einen Tick zu viel», urteilt auch ein SPD-Ministerkollege. «Unseren Erfindungsreichsten» nennen sie den 42-Jährigen in der großen Koalition - dabei schwingt bei aller Häme ein großes Stück Anerkennung mit. Unter dem ehemaligen Pfarrer Reiche wurden die Kopfnoten wieder eingeführt, Internet- und Elternführerschein und beinahe auch der «Tag des Lehrers» aus DDR-Zeiten wiederbelebt. Reiche schuf die flexible Eingangsstufe, in der begabte Sechsjährige ohne Widerstände die dritte Klasse besuchen können und andere zwei Jahre fürs erste Schuljahr bekommen, ohne «sitzenzubleiben». Kurz nach seinem Amtsantritt fuhr er mit 1000 märkischen Lehrern mit dem Zug zur Bildungsmesse nach Hannover. Das gab klasse Fotos, und Reiche versprach den Lehrern, an der Verbesserung ihres Images tatkräftig mitzuwirken. Neuerdings plant er Erziehungsverträge mit den Eltern; wer seinem Kind kein Pausenbrot mitgibt, nicht für Stifte und Lineal sorgt und sich auch sonst zu wenig kümmert, soll künftig ein schlechteres Gewissen haben.
Im Ministerium raufen sich viele Mitarbeiter die Haare. Sie haben genug mit der von der großen Koalition beschlossenen Bildungsreform zu tun: Gemeinsame Rahmenlehrpläne mit Berlin, Zentralabitur ab 2003/4. Prüfungen ab Klasse 10, flächendeckender Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3, Abitur nach zwölf Jahren. Des Ministers Ideenüberfluss sei kontraproduktiv, wenn man mit der eigentlichen Arbeit nicht nachkomme.
Die Bildungsexperten von CDU und PDS vermissen auch ein Gesamtkonzept. Noch immer seien die Klassenstärke und der Unterrichtsausfall zu hoch, die finanzielle Ausstattung zu niedrig. Zwischen den Schulen sei aufgrund des Schülerrückgangs ein harter Konkurrenzkampf entbrannt. Märkische Schüler erhalten bis zum 10. Schuljahr 8803 Stunden in Deutsch und Mathe, die bayerischen Kinder ganze 1026 mehr.
Jedoch geben sie auch zu, Reiche tue was und nehme die Sache ernst. Selbst Geritt Große, bildungspolitische Sprecherin der PDS, fühlt sich bei Reiches «Politik im Konsens mitgenommen». Der CDU kommt Reiches Erfolg nun im Wahlkampf ungelegen. So kommen ihr die Pisa-Ergebnisse gerade recht, offenbaren sie doch Versäumnisse aus der SPD-Vergangenheit.