Briesen/Brand - Als die gigantische Werfthalle von Cargolifter in Brand nahe dem strukturschwachen Spreewald eröffnet wurde, jubelte eine ganze Region. Damals glaubte man, ein Grundstein für den späten Aufschwung sei gelegt, Folgeansiedlungen nur eine Frage der Zeit und die Zukunft golden. Vorgestern nun ist endgültig Ernüchterung eingetreten. Mit der Erklärung von Cargolifter, das Unternehmen sei zahlungsunfähig, gerät die Region ins Wanken.
Briesen/Brand, Werftgelände gestern Mittag. Wie jeden Tag schieben sich Gruppen von Neugierigen durch das Besucherzentrum an der Cargolifter-Halle. Im Andenken-Shop wirbt ein Schild für «Carli-Wochen im Mai». Zu jedem gekauften Merchandising-Produkt erhält der Besucher ein Mini-Luftschiff, silbern glänzend und gefüllt mit Helium, ganz wie das geplante Luftschiff CL 160.
Doch dass die Idee des fliegenden 160-Tonnen-Krans nach der nun eingeräumten Zahlungsunfähigkeit mit dem Spielzeugmodell beendet sein soll, daran möchte auf dem Werftgelände in Briesen/Brand niemand glauben. «Hier ist ja weiter nichts in der Region», sagt eine
Verkäuferin, Hoffnung gebe es unter den fast 500 Mitarbeitern auf jeden Fall noch. «Wär' ja schlimm, wenn wir die nicht hätten.»
Die Stimmung sei zwar «etwas gedrückt, aber dennoch optimistisch», sagt ein anderer Mitarbeiter, ansonsten halten sich die Beschäftigten mit Äußerungen lieber zurück. Wer Auskunft will, wird an die Pressestelle verwiesen. Ansonsten wird gearbeitet wie jeden Tag. Auch wenn es wohl noch etwas dauern wird, bis die Gehälter für den laufenden Monat eintreffen.
Dass die kurzfristige Beschaffung von Kapital zum Überleben der Cargolifter AG ausreicht, wird von Betriebsratschef Matthias Flörsch stark angezweifelt. «Wir bräuchten einen ganzen Fächer von Maßnahmen», so Flörsch, unabdingbar sei auch ein Engagement der öffentlichen Hand. «Unser vorrangiges Ziel ist es, den Technologiestandort zu erhalten», betont Flörsch. Dass sich die Unternehmensleitung um Carl von Gablenz nun zunächst auf die Produktion des kleineren Frachtballons CL 75 konzentrieren will, hält der Betriebswirt nicht für ausreichend. Stattdessen solle das Großluftschiff CL 160 im Vordergrund stehen, sagt Matthias Flörsch.
Auf ein «Wunder von Brand» setzt in diesen Tagen Frank Meyer von der Initiative «Zukunft-in-brand.de». Mit einer Kerngruppe aus 120 Aktionären möchte der 36-jährige Berliner in drei Wochen sieben Millionen Euro auf einem Treuhand-Konto zusammenbekommen. Mit einer ähnlichen Aktion sei schon 1908 der Luftschiffbauer Graf Zeppelin gerettet worden.
«Wir sehen Cargolifter als die wahre Volksaktie», sagt Software-Entwickler Meyer. Nach allem, was in Brand in wenigen Jahren «aus dem Boden gestampft» worden sei, brauche es nun ein «eindeutiges Signal» an die Politik. «Die technische Realisierbarkeit ist da», glaubt Frank Meyer, die Innovation des fliegenden Lastkrans dürfe sich Deutschland nicht «wegnehmen lassen». Seiner Aktionärsinitiative gehe es auch nicht vorrangig um die Rettung des bisher eingesetzten Kapitals, so Meyer, der bislang «keine einzige Aktie verkauft» hat.
Aus dem landespolitischen Raum kommt hauptsächlich moralische Unterstützung. Lediglich die Grünen-Spitzenkandidaten Cornelia Behm und Roland Vogt kündigten an, auch selbst auf das Treuhand-Konto der Aktionäre einzahlen zu wollen. Zudem wollen sie sich dafür stark machen, dass das Unternehmen noch an Fördermittel aus Bundesprogrammen komme.
Bauminister Hartmut Meyer (SPD) sagt, die geordnete Insolvenz wäre eine Chance, selbst wenn es zum Zeitverzug führt. Die innovative Technologie könne noch zum Erfolg führen. Allerdings hält er mit Kritik an der Unternehmensspitze nicht hinter dem Berg: «Der kaufmännische Hintergrund ist bisher aber zu kurz gekommen.» Die Opposition wird aus der Technologie-Politik des Landes nicht mehr ganz schlau. Am 14. Juni wurde Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß in den Haushaltsausschuss einbestellt. Dort soll er über Cargolifter, aber auch über zwei weitere schwächelnde Großprojekte berichten: Die in Chipfabrik Frankfurt (O.) und den Lausitzring.