Gründlich danebengegangen ist der erste öffentliche Auftritt der Künstlergruppe "Die Factory" aus Oberschöneweide im Treptower Rathaus: Nach Protesten der Mitglieder der BVV und Besucher des Rathauses wurden zwei Bilder wieder abgehängt. Empörung hatte vor allem die Fotomontage "Judensau" ausgelöst, die von dem englischen Künstler Lennie Lee stammt. Das andere Kunstwerk des österreichischen Künstlers Leo Königsberg mit dem Titel "E. Honegger" zeigte ein mit goldener Brille, rosa gepunktetem Schlips und frischem Teint aufgepepptes Foto Erich Honeckers.

Bei letzterem war wohl die exponierte Stellung an der Balustrade ausschlaggebend für die Entfernung: "Das Bild war alles beherrschend, die Besucher fühlten sich provoziert", erklärte Kulturstadträtin Eva Mendl (PDS) die Entfernung. "Anders als in einer Galerie gibt es bei der Rathausausstellung keine Mitarbeiter, die den Besuchern die Bilder erklären könnten. Das wäre für beide Kunstwerke aber notwendig", sagte die Stadträtin.

Sie zeigte sich auch enttäuscht von dem Verhalten der Gruppe, denn "die Bilder waren vorher zusammen ausgesucht worden". Die beiden beanstandeten seien aber nicht dabei gewesen. Das Kunstamt als Veranstalter habe so keine Chance gehabt, sich mit beiden Werken auseinanderzusetzen.

Leo Königsberg, der die Ausstellung zusammengestellt hat, fühlt sich vollkommen falsch verstanden. Er als Kurator sei doch für die Auswahl der Bilder verantwortlich. Sie vermitteln einen Querschnitt der Arbeit der "Factory"-Künstler, zu der auch die Gruppe "Tiefenrauschost (T.R.O) gehört. Beide "zensierten" Bilder sprächen Tabus in der Gesellschaft an. "Viele haben doch noch einen Honecker irgendwo herumliegen, sogar im Rathaus steht noch einer im Keller", wundert er sich über die Empörung.

Mit Lennie Lee verhalte es sich etwas anders. "Ich war anfangs auch schockiert über das Bild", gibt er zu. Allerdings sei der 47jährige Brite ein Provokationskünstler. Auf seinem abgehängten Werk schockt er den Betrachter mit großen, roten Lettern "Judensau". Darüber ist ein verfremdetes Selbstporträt Lennie Lees zu sehen, das seine Nase in den Mittelpunkt des Bildes stellt. "Dazu muß man wissen, daß Lennie selbst Jude deutsch-russischer Abstammung ist, sich seine Familie vor der Naziverfolgung zwar nach England retten konnte, aber einige auch umgebracht wurden. Für ihn sind seine Werke ein Stück Verarbeitung der Familiengeschichte", nennt Königsberg die Hintergründe. Das habe man übrigens auch als erklärenden Text neben das ausgestellte Bild gehängt. "Aber die Betrachter wollten sich wohl mit dem Werk nicht auseinandersetzen", zeigt sich Königsberg enttäuscht.

Um keinen tiefen Graben zwischen Kunstamt und Künstlergruppe entstehen zu lassen, gibt es am kommenden Mittwoch um 15 Uhr in den Spreehöfen in Oberschöneweide, in denen die Künstlergruppe ihre Ateliers hat, eine Podiumsdiskussion. "Wir wollen die Gruppe auch weiterhin fördern, denn wir sind froh, daß sich in den alten Industriebauten etwas Neues, vielleicht manchmal auch Provokantes tut", stellte Eva Mendl klar.