Ein falscher Klick, und eine politische Karriere war beendet. Im August vergangenen Jahres bekam der damalige Oberbürgermeister einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt Besuch von der Kriminalpolizei.
Ein falscher Klick, und eine politische Karriere war beendet. Im August vergangenen Jahres bekam der damalige Oberbürgermeister einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt Besuch von der Kriminalpolizei. Die Fahnder waren auf seine Spur gekommen, weil er sich Kinderpornos im Internet angeschaut hatte. Der Politiker wurde zu einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt und legte sein Amt nieder.
Um andere Täter nicht aufzuschrecken, wurde dieser Fall zunächst geheim gehalten, die Entdeckung der Vorlieben des Bürgermeisters war Teil einer beispiellosen Polizeiaktion gegen Kinderpornografie im Netz. Nachdem eine Berliner Internetfirma auf ihren Servern ein ungewöhnliches großes Datenvolumen festgestellt hatte, schaltete sie die Polizei ein. Derzeit ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen 12 000 Verdächtige.
Täter sind schwer zu überführen
Sie zu überführen wird nach Angaben eines Ermittlers allerdings schwierig. Weil viele der Verdächtigen nur für kurze Zeit auf den Seiten waren, werden wohl die meisten Verfahren ins Leere laufen. Zudem wurden weitere Täter durch eine Presseveröffentlichung gewarnt. Die Berliner Polizei wertet die Operation "Himmel" dennoch als großen Erfolg und erwägt derzeit, auch externe Firmen mit der Auswertung von Festplatten zu beauftragen.
Trotzdem werden viele Pädophile unentdeckt bleiben. Insider sagen, dass die Dunkelziffer bei Kinderprornografie sehr hoch ist.
"Die Ermittlungsbehörden decken ohnehin nur die Spitze des Eisbergs auf", sagt Günter Maeser, 53, der seit fünf Jahren die Netzwerkfahndung beim Bayerischen Landeskriminalamt leitet. Die Dienststelle in München war Anfang 1995 die erste in Deutschland, die Kriminalität im Internet auch ohne konkrete Verdachtsmomente verfolgte. Vier Jahre später wurde eine solche Fahndungsstelle beim Bundeskriminalamt eingerichtet, 2005 folgte das Landeskriminalamt von Baden-Württemberg. Inzwischen fahnden auch Ermittler in Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen nach Straftaten im Internet. "Wir kommen den Tätern, die sich kinderpornografisches Material anschauen oder herunterladen, meist durch deren IP-Adressen auf die Spur", sagt Dienststellenleiter Maeser. Im Jahr 2006 wurden laut Bundeskriminalamt 4545 Fälle von Besitz oder Beschaffung von Kinderpornografie erfasst - das sind 142 mehr als noch im Jahr zuvor.
Wer das Internet nutzt, hinterlässt mittels der IP-Adresse seines Computers eine Spur im Netz. Deshalb sei die Vorratsdatenspeicherung, die kürzlich in Kraft trat, ein Segen für die Fahnder, sagt Maeser. Laut diesem Beschluss werden die Kommunikationsdaten aller Bürger für ein halbes Jahr gespeichert. "Wenn wir die Seite kennen, auf der kinderpornografisches Material angeboten wird, können dann alle Nutzer nach und nach überführt werden", erklärt der Kriminalist.
Provider sind erfinderisch
Allerdings suchen die Anbieter von Kinderpornografie nach neuen technischen Möglichkeiten, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die Provider bieten ihren Kunden oft kostenlos Speicherplätze an, auf denen entsprechendes Material abgelegt und im Pädophilenmilieu bekannt gemacht wird. Finanziert wird das durch Werbebanner. Laut Maeser bekommt der Internetdienstanbieter selten Kenntnis vom Inhalt der Seiten: "Meistens nur dann, wenn die Seiten sehr oft angeklickt werden und viel Geld durch die Werbung verdient wird." An Bilder von Kindern, deren Geschlechtsteile zu sehen sind, sei im Internet sehr leicht heranzukommen. Verdeckter werde gearbeitet, wenn es sich um den Missbrauch von Kindern handele, sagt Maeser. Bei den Darstellungen gebe es kaum noch Tabus. Die missbrauchten Kinder seien immer jünger, sogar Fotos von geschändeten Babys kursierten im Internet. Auch die Brutalität beim Missbrauch nehme zu. Mit diesem Material lasse sich leider sehr viel Geld verdienen, so Maeser. Das Ansehen solcher Bilder bedeutet auch für die Kriminalisten eine enorme psychische Belastung. "Wer aber sollte die Arbeit machen, wenn nicht die Polizei?" fragt Maeser, der selbst Familienvater ist. Er vergleicht seinen Beruf mit dem eines Chirurgen, der ebenfalls schockierende Bilder verarbeiten müsse, um Menschen zu helfen.
Oft bezahlen die Täter für das kinderpornografische Material mit Kreditkarte. Das nutzten die Ermittler im Jahr 2006 beispielsweise bei der Operation "Mikado", als sie 22 Millionen Kreditkarten auf Überweisungen von 79,99 Dollar an einen Kinderpornoanbieter überprüften. 322 Verdächtige wurden ausfindig gemacht.
Bei den Tätern, die im Internet nach Kinderpornografie suchen, handelt es sich zumeist um gebildete und einkommensstarke Bürger. Der Cottbuser Oberstaatsanwalt Thomas Schell sagte kürzlich, dass sich auch Politiker und Top-Juristen kinderpornografisches Material herunterladen. "Wir beobachten zudem, dass es unter den Tätern überproportional viele Männer gibt, die beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern zu tun haben", sagt Maeser.
Um Seiten mit kinderpornografischem Inhalt ausfindig zu machen, suchen die Fahnder gezielt nach bestimmten Worten. "Es gibt Szenebegriffe, die uns schnell auf die richtigen Seiten führen", sagt der Polizist. Ihm gehe es vor allem darum, die Kinder zu schützen: "Wir wollen wissen, wer die Opfer und wer die Täter sind."
Das herauszufinden ist jedoch enorm schwierig. Die Aufnahmen werden zumeist im Ausland gemacht, viele der Kinder kommen aus Asien, Lateinamerika oder Osteuropa. Die Betreiber der Internetsetseiten sitzen ebenfalls oft nicht in Deutschland. Bei der Operation "Mikado" etwa endete die Spur auf den Philippinen.
Zeigen der Gesichter wäre hilfreich
Um die Kinder oder Täter zu identifizieren, wäre die Veröffentlichung ihrer Gesichter durch die Polizei sehr hilfreich. Doch das geschieht mit Hinweis auf die Gesetzeslage nicht. Welche Folgen das hat, wird am 1998 entdeckten Kinderpornonetzwerk deutlich, dessen Zentrale im niederländischen Badeort Zandvoort war. Auf den Disketten, die im Zusammenhang mit dem Fall Dutroux durch private belgische Ermittler entdeckt worden waren, befanden sich mehr als 90 000 missbrauchte Kinder. Viele Täter sind gut zu erkennen. Doch eine gründliche Untersuchung des Materials fand nicht statt. Staatsanwalt Michel Bourlet wollte diesbezüglich von Generalstaatsanwältin Anne Thily gestoppt", erklärt Marcel Vervloesem von der belgischen Arbeitsgruppe Morkhoven. Der Grund: Als die Arbeitsgruppe Fotos der Täter selbst ins Netz stellte, kamen rasch Hinweise. Erkannt wurde etwa ein Jugendrichter aus der Nähe von Paris. Die belgische Polizei wies an, die Bilder wieder aus dem Internet zu entfernen.