"Es ist verboten, toten Kojoten die Pfoten zu verknoten." Das ist - ohne Frage - ein sinnloser Satz. Wenn Luitgard Janßen vom Berliner Institut für Sprech- und Stimmbildung (BISS) diesen und andere Sätze mit ihren Klienten übt, kommt es nicht auf den Inhalt an, sondern auf die Artikulation und die Tonhöhe, auf das Tempo und die Resonanz in der Stimme. Luitgard Janßen ist staatlich geprüfte Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin und arbeitet seit 1999 in einer eigenen Praxis in Charlottenburg. Zu ihr und ihren beiden Kolleginnen kommen Vorstandsvorsitzende vor wichtigen Sitzungen, Architekten, die ihre Entwürfe gekonnt präsentieren möchten und Menschen, die mit ihrer Stimme nicht zufrieden sind. "Die Körpersprache und eine gute Präsentation werden heute stärker wahrgenommen und beurteilt, deshalb ist es oft wichtiger wie jemand etwas sagt als was er sagt", so die Sprechlehrerin. Im Zentrum ihrer Gruppenseminare und Einzelcoachings stehe "das Bewußtmachen der Zusammenhänge zwischen Körperhaltung, Atmung und Artikulation sowie deren Auswirkungen auf die Stimme." Ziel sei es, die Stimme für sich sprechen zu lassen, sagt auch Ulrike Pahl von BISS.
Ihre dreijährige Ausbildung haben Luitgard Janßen und Ulrike Pahl an der CJD Schlaffhorst-Andersen-Schule im niedersächsischen Bad Nenndorf gemacht. Das ist die einzige Schule in Deutschland, die zum Atem-, Sprech- und Stimmlehrer ausbildet. Jährlich machen 40 bis 50 Schüler dort ihr Examen und finden in der Regel sofort einen Arbeitsplatz.
Viele Absolventen haben eine klassische Gesangsausbildung, so auch Jessica Wahl. Seit sechs Jahren bietet sie in ihrer Kreuzberger Praxis Atem-, Sprech- und Stimmtraining an. Sie behandelt von Fachärzten überwiesene Patienten mit Störungen wie Stottern, hauptsächlich aber coacht sie "Menschen mit beruflich hohem Stimmeinsatz, die sich persönlich und beruflich weiterentwickeln möchten". Zu ihren Klienten zählen neben Managern, Journalisten und Lehrern auch Pop- und Opernsänger aus dem In- und Ausland. Bei der Arbeit an der Stimme betrachte sie den ganzen Körper und die Psyche. Dabei helfen ihr Techniken, die sie sich in ergänzenden Ausbildungen angeeignet hat: zum Beispiel Massage, Yoga, Meditation, NLP. Das Training führt sie teilweise in einer Kirche durch, deren Akustik der Stimme zusätzlichen Klang gibt. "Um als Atem, Sprech- und Stimmlehrerin erfolgreich arbeiten zu können, muß man Interesse an Psychologie und Medizin sowie Spaß an der Arbeit mit Menschen haben", betont die 33jährige.
Ein abgeschlossenes Gesangsstudium kann auch der Facharzt für Stimm- und Sprachheilkunde Gerrit Wohlt vorweisen. Der 41jährige gehört zu den wenigen Stimmchirurgen in Deutschland. Seine Praxis in Wilmersdorf ist ein Treffpunkt internationaler Opernstars geworden, die sich mit angekratzter Stimme durch Arien quälen. Gerrit Wohlt behandelt aber auch Patienten, die beispielsweise nach Erkrankungen des Kehlkopfes oder nach einer Stimmbandlähmung wieder eine wohlklingende Stimme bekommen wollen. In ambulanten Operationen entfernt der Mediziner krankhafte Veränderungen mit feinsten Instrumenten. Die mikrochirurgischen Techniken hat Wohlt bei renommierten Spezialisten in den USA und in Frankreich gelernt.
Der als Tenor ausgebildete Mediziner hat ein analytisches Gehör und kann seinen Patienten aus der Musikbranche auch dann helfen, wenn falsche Gesangs- oder Sprechtechniken Ursache für Stimmprobleme sind. "Ich führe dann eine individuelle gesangstherapeutische Behandlung durch", so Wohlt. Diese beinhaltet immer ein auf das Gesangsrepertoire abgestimmtes Übungsprogramm. Vielen Patienten verordnet er auch eine logopädische Therapie.
"Wir behandeln sowohl Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung oder auditiven Wahrnehmungsstörungen als auch Erwachsene mit neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfällen", sagt die Wilmersdorfer Logopädin Helga Hüllenkrämer. Sie hat vor rund zehn Jahren ihre Ausbildung in Köln abgeschlossen und sich nun in ihrer eigenen Praxis auf die Behandlung von Kindern spezialisiert. "Da der Beruf des Logopäden verhältnismäßig jung ist - das erste Ausbildungsinstitut wurde vor rund 40 Jahren in Berlin gegründet - kommt von Jahr zu Jahr neues Spezialwissen dazu", sagt die Logopädin. Das bedeutet, daß sie und ihre überwiegend weiblichen Kolleginnen sich ständig fortbilden müssen.
Dabei ist schon die dreijährige Ausbildung anspruchsvoll. Um später die Kommunikationsfähigkeit ihrer Patienten wiederherzustellen oder wenigstens verbessern zu können, werden die angehenden Logopäden zum Beispiel in Anatomie, Phoniatrie, Kinderheilkunde, Psychologie und Psychiatrie sowie Linguistik unterrichtet. Ebenso vielfältig sind die beruflichen Möglichkeiten. Logopäden arbeiten in Praxen, in Reha-Kliniken, in Sprachbehindertenschulen, in sozialpädiatrischen Zentren sowie Krankenhäusern.
Einer der seine Stimme beruflich nutzt und dafür nicht einmal sein Haus in Dänemark verlassen muß, ist Martin Wehrmann. Vor acht Jahren hat der gebürtige Bremer dort ein Studio eingerichtet, in dem er fast täglich Trailer, Werbespots oder längere Beiträge ins Mikrofon spricht. Für ein halbes Dutzend deutschsprachiger Radiosender ist er "Station Voice". Die Daten übermittelt Wehrmann digital an seine Auftraggeber. Nach seinem Berufseinstieg als Radiomoderator bei Energy 103,4 in Berlin hat der diplomierte Volkswirt eine dreieinhalbjährige Sprecherausbildung bei einem Privatlehrer gemacht. "Nachdem ich die Sprechtechniken verinnerlicht hatte, war es für mich das wichtigste, sie beim Sprechen zu vergessen. Sonst klingt die Stimme nicht gelöst", sagt er mit seinem kräftigen Samtbaß. Allen, die sich für eine Sprecherkarriere interessieren, rät er, nach Nischen zu suchen. Viele träumten davon, Synchronsprecher von bekannten Schauspielern zu werden. "Damit kommt man auf Partys natürlich besser an, aber mehr Geld kann man in den Bereichen Werbung und Promotion verdienen."