Geschichte

Böhmisches Dorf in Rixdorf nach Sanierung eröffnet

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Warum Antonia heute die Alltagstracht der Rixdorfer Böhmen trägt, die weiße Haube mit der roten Schleife und den schwarzen Kittel, weiß die Achtjährige auch nicht so genau.

Was sie weiß: auf Zehn gilt es zusammen mit ihren drei Freundinnen, allesamt aus der 11. Generation der böhmischen Einwanderer in Rixdorf, das rot-weiße Band durchzuschneiden.

Schnipp, Schnapp. Blitzlichtgewitter. Das Böhmische Dorf in Neukölln ist nach Sanierungsarbeiten wiedereröffnet. Pünktlich zum zwanzigsten Jubiläum der Städtepartnerschaft Berlin–Prag, 278 Jahre nachdem sich die Vorfahren von Antonia Polinna, protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem rekatholisierten Böhmen auf Einladung von Friedrich Wilhelm I. vor den Toren Berlins, in Rixdorf angesiedelt haben.

Für Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ist die Geschichte der Rixdorfer Böhmen ein Beweis dafür, dass ihr Bezirk auf eine lange und fruchtbare Einwanderertradition zurückblickt. „Rixdorf zeigt, wie positiv Einwanderung auf die Stadt, auf die Gesellschaft wirken kann“, stimmt die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD), ein.

Die Böhmen haben in Neukölln ein Dorfidyll zwischen dem Autolärm auf der Karl-Marx-Straße und der Sonnenallee hinterlassen. Zwei Gehöfte in der Richardstraße haben sich ihre barocken Fassaden bewahrt. Auf dem Richardplatz erinnert die Betlehemskirche mit dem mit dunklem Holz verschlagenen Glockenturm an die böhmische Geschichte des Viertels – und der Comenius-Garten, wo Kirschen und Birnen wachsen und wo das Gras mannshoch steht. Der kleine Park, erklärt der Gärtner und Comenius-Experte Henning Viereck, ist eine Rekonstruktion des Weltbilds des Philosophen. Viereck selbst wirkt mit seinem grauen Bart und dem schlaksigen Körper wie ein direkter Nachfahre des Lehrers der böhmischen Nation Johann Amos Comenius.

Wenn er die Prager Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová und ihre Berliner Kolleginnen durch den Garten führt, dann hat er zu jedem Strauch eine Geschichte zu erzählen. Eigentlich aber, sagt Viereck, gehört der Garten Antonia und ihren Freundinnen. „Alle Kinder aus der Nachbarschaft kommen hier her, sie essen die Früchte, sie trampeln Pfade aus. Hier stärken sie ihre sinnliche Wahrnehmung.“

( nej )