Flüchtlinge

Senator Czaja ruft um Hilfe

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Joachim Fahrun

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales bricht unter dem Ansturm der vielen Asylbewerber zusammen

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das für die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin zuständig ist, schafft unter dem steigenden Andrang der Asylsuchenden seine Arbeit nicht mehr. Mit diesem Alarmruf konfrontierte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Dienstag seine Senatskollegen im vertraulichen Teil der Kabinettssitzung. Czaja bat dabei dringend um Unterstützung und Personal anderer Dienststellen. „Es ist im Interesse des gesamten Senats, hier zu einer Lösung zu kommen“, heißt es in der Besprechungsunterlage, die der Berliner Morgenpost vorliegt.

Aufgaben nicht mehr zu bewältigen

Wegen der „anhaltenden Belastung“, des aufgrund der Kritik zur Vergabepraxis bestehenden „Rechtfertigungsdrucks“, erhöhten Krankenstands und stetig wachsender Aufgaben könnten die „im Unterbringungsmanagement anstehenden Herausforderungen mit dem bisherigen Personalstamm schon jetzt nicht mehr vollumfänglich bewältigt werden“, schreibt Czaja den Kollegen. So sollen gegenwärtig nur zwei der zwölf Mitarbeiter der Unterbringungsleitstelle im Einsatz sein.

Der Zuzug von Flüchtlingen nach Berlin sei in den ersten vier Monaten des Jahres noch höher ausgefallen als vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prognostiziert. Bis Ende April wurden Berlin 6771 Asylsuchende zur Unterbringung zugewiesen. Das sind drei Mal so viele wie 2014, als 2301 Personen ein Bett und Betreuung bekommen mussten.

Die administrativen Schwierigkeiten im Lageso sind beträchtlich. Um diese zu beheben, ist viel Personal notwendig. So werden von den „rund 60 Flüchtlingsunterkünften für Asylbegehrende“ 33 entweder ohne einen gültigen Vertrag genutzt und bezahlt oder der Kontrakt läuft aus und müsste neu verhandelt werden. Die Praxis des Lageso, die Details über Tagessätze und Investitionszusagen mit den Betreibern erst im Nachhinein auszuhandeln, ist ein wesentlicher Kritikpunkt an der Arbeit der Behörde. Zudem sind die Mitarbeiter inzwischen damit betraut, Czajas neue Strategie umzusetzen. Statt Firmen oder gemeinnützigen Organisationen in privaten Immobilien Tagessätze für jeden Flüchtling zu bezahlen, möchte Czaja verstärkt landeseigene Immobilien bereitstellen und nur noch Betreiberverträge abschließen. Entsprechend müssen seine Mitarbeiter zusätzlich den Bau der weiteren fünf geplanten Containerdörfer begleiten. Sie müssen auch landeseigene Grundstücke suchen, auf denen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dann weitere Modulbauten für Asylsuchende errichten kann. Und gemeinsam mit der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) sollen die Lageso-Mitarbeiter leer stehende Landesgebäude für Flüchtlinge finden und ertüchtigen.

Belastet ist die Behörde auch durch die diversen Verfahren, die sich mit Mängeln der bisherigen Praxis beschäftigen. Die Innenrevision untersucht etwaiges Fehlverhalten, die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Landesrechnungshof nimmt seine angekündigte Prüfung auf und ein externer Wirtschaftsprüfer hat ebenfalls das Amt unter die Lupe genommen. Der Bericht der Wirtschaftsprüfer ist offenbar alarmierend. Bei Dreiviertel der untersuchten Themen steht die Ampel nach Informationen dieser Zeitung auf Rot, beim Rest auf Gelb. Sprich: In keinem Fall waren die Kontrolleure zufrieden.

Kurzfristige Verstärkung

Um Abhilfe zu schaffen und den Zusammenbruch zu verhindern, möchte Czaja nun die Hilfe anderer Behörden. Die Debatte im Senat war, wie aus Teilnehmerkreisen zu hören war, eher wenig harmonisch. Der Sozialsenator hat schon lange mehr Unterstützung bei dieser gesamtstädtischen Aufgabe angemahnt, ohne auf positive Reaktionen getroffen zu sein. Jetzt möchte er so schnell wie möglich zwölf Mitarbeiter, um das Lageso zu verstärken – Betriebsprüfer aus der Steuerverwaltung, Regierungsinspektoren und Juristen aus dem Innenressort sowie Baujuristen und Ingenieure aus den Wohnungsbaugesellschaften.

Czaja sagte auf Anfrage, er habe verbindliche Zusagen von den Kollegen, dass „wir sehr kurzfristig Unterstützung bekommen und die nächsten Umsetzungsschritte möglich werden“. Über das Thema hatte er schon seit Tagen mit Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) verhandelt. Für den nächsten Doppelhaushalt hatte Czaja 200 zusätzliche Stellen für das Lageso angemeldet, der Finanzsenator hat ihm bisher 80 zugestanden.