Bereits bei der ersten Präsentation zu Jahresbeginn war das Interesse an Berlins neuen U-Bahnzügen groß. Zu lange hatte es keine Modernisierung des in die Jahre gekommenen BVG-Wagenparks gegeben, nun sollte mit der Baureihe IK endlich zeitgemäßer Ersatz kommen. Doch die Berliner werden wohl noch einige Monate warten müssen, bis sie in den neuen Zügen Platz nehmen können.
Noch im Februar hieß es, die beiden Prototypen werden ab Ende Mai, spätestens Anfang Juni im normalen Linienbetrieb in der Stadt unterwegs sein. Sogar eine Premierenfahrt war angekündigt – etwa für Berliner, die sich aktiv an der Suche nach einem passenden Spitznamen beteiligen (siehe Info-Kasten). Doch nun werden Fahrgäste in die beiden neuen, von Stadler in Pankow gebauten Protozüge der Baureihe frühestens Ende August einsteigen können. „Wahrscheinlich sogar erst im September“, bestätigte BVG-Sprecherin Petra Reetz der Berliner Morgenpost die Terminverschiebung.
Qualitätsprobleme an den Fahrzeugen seien aber nicht der Grund dafür, trat Reetz entsprechenden Gerüchten entgegen. Zwar seien während der ersten Tests bei den neuen Fahrzeugen auch einige Probleme – vor allem bei der elektronischen Steuerung – aufgetreten, dies sei aber bei Prototypen völlig normal. „Insgesamt liegen wir beim IK voll im Zeitplan“, sagte Reetz. Das sieht der Berliner Fahrgastverband Igeb allerdings nicht ganz so optimistisch. „Wenn die Züge erst im September in die Alltagserprobung gehen, ist schon jetzt klar, dass sie in größerer Zahl nicht zur Internationalen Gartenausstellung da sein werden“, sagte Igeb-Sprecher Jens Wieseke der Morgenpost. Grund für die Skepsis des Experten ist das zwischen der BVG und Stadler vereinbarte Prozedere.
Konzipiert für U1 bis U4
Der in der Schweiz beheimatete Schienenfahrzeughersteller, der zuvor keine U-Bahnen baute, hatte sich 2012 bei einer Ausschreibung gegen renommierte Konkurrenz durchgesetzt. Darunter auch Bombardier, dem Lieferanten der letzten Neubauzüge für die Berliner U-Bahn. Wohl auch wegen so mancher „Kinderkrankheit“ bei den von Bombardier von 1994 bis 2002 gelieferten H-Zügen hatte die BVG mit Stadler vereinbart, dass die Schweizer zunächst nur zwei Protozüge bauen. Die sollen dann ein Jahr lang im Alltag getestet werden, bevor weitere 24 Züge geordert werden. Kostenpunkt: 158 Millionen Euro. Die Serienzüge sollen dann von 2017 an ausgeliefert werden. Je später die BVG die Serie aber bestellt, umso später werden sie in Berlin eintreffen.
Der ursprünglich genannte Termin für die ersten Fahrten mit Gästen sei einfach nicht richtig kommuniziert worden, heißt es jetzt. Zwar werden die neuen Züge voraussichtlich schon im Mai im Berliner U-Bahnnetz öffentlich zu sehen sein. „Doch einsteigen darf dann noch niemand“, so Reetz. Was vor allem mit dem aufwendigen Zulassungsverfahren zusammenhänge. Allein 90 Tage dauert die Prüfung der Züge durch BVG-Spezialisten nach der Übergabe durch den Hersteller. Notwendig seien anschließend umfangreiche Brems- und Kupplungstests. Geplant sei zudem noch ein Härtetest in der Klima-Kammer in Wien, in der sowohl eiskalte Winter als auch tropenheiße Sommer simuliert werden können. Erst wenn sich die IK-Züge unter diesen Extrembedingungen bewährt haben, steht die Zulassung durch die Technische Aufsichtsbehörde des Berliner Senats an. Erst danach dürfen die Züge auch Fahrgäste im regulären Betrieb transportieren.
Die Internationale Gartenausstellung (IGA) wird im Frühjahr 2017 ihre Tore öffnen. Die aus aller Welt erwarteten Besucher sollen vor allem mit der U-Bahnlinie 5 bis zum IGA-Gelände nach Marzahn fahren. Der Bahnhof Neue Grottkauer Straße wird dazu extra modernisiert und in „Kienberg – Gärten der Welt“ umbenannt.
Auf den ersten Blick haben die IGA und die neue U-Bahn nichts miteinander zu tun. Denn die Züge der Baureihe IK sind für das sogenannte Kleinprofilnetz konzipiert. So werden die Linien U1 bis U4 bezeichnet, die aus der Anfangszeit der U-Bahn vor mehr als 100 Jahren stammen. Wegen der damals fehlenden Bauerfahrung führen sie durch besonders schmale Tunnel. Die Züge durften nicht breiter als 2,30 Meter sein. Später wurde großzügiger gebaut, die Züge sind nun 2,65 Meter breit. Die U5 bis U9 werden von der BVG als Großprofillinien bezeichnet. Weil der Fahrzeugmangel aber im Großprofil noch größer als im Kleinprofil ist, gibt es bei der BVG den Plan, einen Teil der neuen U-Bahnen so umbauen zu lassen, dass sie in beiden Netzen einsetzbar sind.
Rückkehr der „Blumenbretter“
Die Idee ist nicht ganz neu: Bereits in den 20er-Jahren auf der U6 sowie nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Wagenmangel besonders groß war, gab es solche Umbauten. Um den Spalt zwischen dem schmaleren Zug und dem Bahnsteig zu überbrücken, wurden Holzbohlen an die Wagenseiten angeschraubt. Die Züge gingen als „Blumenbretter“ in die Berliner Verkehrsgeschichte ein.
Wie die Lösung heute aussehen soll, wird von der BVG noch geheim gehalten. Prinzipiell sei dies ebenso wie technische Anpassungen bei Stromabnehmern und der unterschiedlichen Polarität kein Problem, heißt es aus dem Unternehmen. Offen ist auch, wie viele Fahrzeuge umgerüstet werden. Ist dies doch in jedem Fall mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Eine Entscheidung darüber könnte am heutigen Montag fallen. Der BVG-Aufsichtsrat will festlegen, was mit den 58 Millionen Euro passiert, die der Senat aus seinem „Sondervermögen Infrastruktur wachsende Stadt“ (Siwa) kurzfristig für den Kauf dringend benötigter U-Bahnen für das Großprofil bereitstellt. Die schnellste Lösung wäre die Bestellung zusätzlicher IK-Wagen, die für das Großprofil umgerüstet werden. Für bis zu zehn Züge könnte das Geld reichen, hofft die BVG.