Studie

Große Mehrheit für eine Pflegekammer

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Andreas Abel

Standesvertretung soll die Interessen der Beschäftigten bündeln

Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte haben sie schon, nun sollen auch Pflegekräfte sie bekommen: eine Kammer als Vertretung des Berufsstandes. Laut einer Studie, die die Senatsgesundheitsverwaltung initiiert und finanziert hat, befürwortet eine Mehrheit der Pflegekräfte in Berlin die Gründung. Insgesamt 58,8 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Pflegekammer aus. 17,1 Prozent waren dagegen. Die größte Zustimmung habe es bei den Krankenpflegeberufen mit 62,2 Prozent gegeben, teilte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) mit. In der Berufsgruppe der Kinderkrankenpflege hätten sich 52,1 Prozent und in der Altenpflege 49,8 Prozent der Befragten für die Kammer ausgesprochen.

Der Gesundheitssenator, ein energischer Verfechter der Kammer, freute sich über das „klare Votum“. Er werde in den kommenden Wochen zu einem öffentlichen Fachdialog einladen. Dabei sollen auch Erfahrungen aus denjenigen Bundesländern gesammelt werden, in denen bereits Pflegekammern gegründet werden, vor allem in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Die Berliner Studie wurde von der Alice Salomon Hochschule durchgeführt. Zwischen November 2014 und März 2015 wurden knapp 1200 Menschen befragt.

Kritik an Zwangsmitgliedschaft

Befürworter einer Pflegekammer führen ins Feld, dass dort die berufsständischen Interessen der Pflege gebündelt würden. Die Kammer wäre klarer Ansprechpartner für die Politik und würde bei Gesetzgebungsverfahren mitwirken. Dort könnten die Beschäftigten mitentscheiden, welche Entwicklung die Pflege in Zukunft nimmt. Die Kammer sorge für eine kontinuierliche Weiterbildung der Pflegekräfte und helfe, Qualitätsstandards zu sichern. Davon würden nicht nur die Beschäftigten profitieren, sondern vor allem die, die gepflegt werden. Gesundheitssenator Czaja geht davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Berlin in den kommenden 15 Jahren von jetzt 100.000 auf 170.000 steigen wird. Die Gegner der Kammer, etwa die Gewerkschaft Verdi, wehren sich vor allem gegen die Zwangsmitgliedschaft und den Pflichtbeitrag. Zudem sei die Standeseinrichtung nur für Pflegefachkräfte vorgesehen und vergrößere die Bürokratie. Wichtiger wäre, „die wirklichen Probleme“ anzugehen: schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne und Fachkräftemangel.

Nun muss Czaja ein Gesetz auf den Weg bringen, um die Kammer installieren zu können. Landespflegerat und der Berufsverband für Pflegeberufe befürworten die Pläne: „Nach diesem Votum der Berufsgruppe erwarten wir, dass beide Koalitionsparteien jetzt gemeinsam die politischen Weichen stellen“, sagte Anja Kistler, Geschäftsführerin der DBfK Nordost und warf der SPD Zögerlichkeit vor. Christine Vogler, Vorsitzende des Landespflegerates, fordert das Gesetz „noch in dieser Legislaturperiode“.

Die Linken im Abgeordnetenhaus kritisierten die Studie. Es seien nur „ausgesuchte Personen“ befragt worden. Eine Pflegekammer spalte die in der Pflege Tätigen, weil sie viele von der Mitgliedschaft ausgrenze. „Ein attraktives Berufsbild für die Pflege erreicht man durch bessere Bezahlung, familienfreundliche Arbeitszeiten und eine personelle Mindestbesetzung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“, sagte Wolfgang Albers, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken. Dazu trage die Errichtung einer Pflegekammer nichts bei.