Die Berliner sollen per Volksentscheid für günstigere Mieten stimmen. Am Sonnabend begannen mehrere Bürgerinitiativen an fünf Orten der Stadt ihre Unterschriftensammlung. Im ersten Schritt benötigen sie für ein entsprechendes Volksbegehren 20.000 Stimmen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Bündnis, das die Wohnungspolitik in Berlin grundlegend verändern will.
Wer ruft zu der Unterschriftenaktion auf?
Träger ist der Verein „Mietenvolksentscheid e. V.“ Zu den darin organisierten Initiativen zählen etwa die Mieterinitiative Kotti & Co und die Berliner Mietergemeinschaft. Gemeinsame Absicht ist es, das „Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin“ zur Abstimmung zu bringen.
Was sind die wichtigsten Ziele eines solchen Gesetzes?
Ziel des Bündnisses ist, dass der rot-schwarze Senat deutlich mehr Wohnungen für einkommensschwache Mieter schafft. Die Mieten in den Beständen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (300.000 Wohneinheiten) sowie für die Wohnungen des geförderten sozialen Wohnungsbaus (126.000 Einheiten) sollen gedeckelt und an das Einkommen angepasst werden, Neubauten mit niedrigen Mieten zudem gefördert werden. Der Gesetzentwurf ist im Internet nachzulesen unter: mietenvolksentscheidberlin.de/worum-gehts/das-gesetz. Wohnungen, die sich im Besitz privater Vermieter befinden, wären nicht betroffen.
Wer darf abstimmen?
Eine gültige Unterschrift dürfen alle Bürger geben, die zum Zeitpunkt der Abstimmung auch das Abgeordnetenhaus wählen dürften. Also alle Deutschen, die mindestens 18 Jahre alt, mindestens seit drei Monaten in Berlin mit Hauptwohnung im Melderegister verzeichnet und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Auch Name, Geburtsdatum, Anschrift und Datum müssen zur Überprüfung eingetragen werden.
Was sind die Stufen zu einem Volksentscheid?
Zunächst muss ein Volksbegehren beim Senat beantragt werden. Für die sogenannte Einleitung des Volksbegehrens muss das Bündnis bis Ende Mai 20.000 gültige Unterschriften eingesammelt haben. Gelingt dies, folgt ab Januar 2016 eine weitere Unterschriftenaktion. Dabei müssten dann aber rund 175.000 wahlberechtigte Berliner einem Volksentscheid zustimmen. Geht es nach den Initiatoren der jetzigen Befragung, würde der Termin eines solchen Volksentscheids mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2016 zusammengelegt.
Welche Kosten kämen auf Berlin bei Erfolg der Initiative zu?
Die Umsetzung der Forderungen würde teuer für das Land Berlin werden. Die sinkenden Miteinnahmen etwa müssten aus der Steuerkasse ausgeglichen werden. Wie viel allerdings, das ist ein Thema der politischen Auseinandersetzung. Berechnungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zufolge würden allein für das Jahr 2017 Kosten von 791,3 Millionen Euro entstehen. Für den Zeitraum 2017 bis 2021 kämen auf die Landeskasse 3,3 Milliarden Euro zu. Der Mietenvolksentscheid e.V. errechnete dagegen eine deutlich niedrigere Summe: Für 2017 bis 2021 geht man von 1,2 Milliarden Euro aus.
Wo findet der Mieten-Volksentscheid bislang Unterstützung?
Eingebunden sind vor allem beliebte und zunehmend gefragte Ortsteile und Bezirke der Stadt: Neukölln, Wedding, Moabit, Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg. Dort haben sich Kiezgruppen zusammen geschlossen oder befinden sich momentan in Gründung. Auch wird eine Gruppe aus Studenten im gesamten Stadtgebiet um Unterstützung werben.
Wie bewertet der Senat die Unterschriftenaktion?
Seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es zum Start der Initiative, jeder Bürger stehe vor einer wichtigen Entscheidung. Die Regierung habe die zu erwartenden Kosten vorgelegt. Nun sei es an den Berlinern abzuschätzen, welche Auswirkungen das angestrebte Gesetz auf den Landeshaushalt hätte. Zu den Zielen der Initiative hatte Senator Andreas Geisel (SPD) zuvor erklärt, der Mietenvolksentscheid behandele „wichtige Anliegen“ – an vielen davon arbeite seine Behörde allerdings bereits. Der Senat erhöhe das Angebot bezahlbarer Wohnungen und setze sich dafür ein, dass Mieten im sozialen Wohnungsbau bezahlbar blieben. „Ich teile die Ziele und Anliegen der Initiative grundsätzlich“, so Geisel.
Wie verlief der erste Tag der Unterschriftensammlung?
Teilnehmer der Aktion trafen sich am Sonnabendvormittag am Tempelhofer Feld, am Neuköllner Herrmannplatz, am Weddinger Leopoldplatz und ab 14 Uhr an der Frankfurter Allee in Friedrichshain. Nach einem Treffen am Kottbusser Tor in Kreuzberg wollten die Teilnehmer ab 18 Uhr in Lokalen der Umgebung weitere Unterschriften sammeln. Sprecher Rouzbeh Taheri erklärte, allein in Tempelhof hätten gut 40 Gleichgesinnte Unterschriften gesammelt. „Ich war überrascht: Meist kamen die Berliner von selbst auf uns zu. Das Gros war über unsere Aktion informiert.“ Gegen 19 Uhr waren laut Initiative insgesamt mehr als 3.000 Unterschriften gesammelt.