Kommentar

Fürsprecher gesucht

Isabell Jürgens über das Bauen mit Bürgerbeteiligung

Das Feld bleibt frei. Mit dieser Kampfansage haben vor knapp einem Jahr Gegner das Bauvorhaben am Tempelhofer Feld per Volksentscheid versenkt – und auf Bezirksebene viele Nachahmer gefunden. Während Politiker und Projektentwickler bislang verschreckt zusahen, wie die Wutbürger mittels Internet und über soziale Netzwerke ihre Sicht der Dinge schnell und kostengünstig verbreiteten, formiert sich nun erstmals der Widerstand gegen den Widerstand. Die Groth-Gruppe, die seit mehr als 30 Jahren in Berlin baut, hat im Internet ein Dialogforum eingerichtet und versucht, mit Broschüren, Infoveranstaltungen und Bürgerwerkstätten zu verhindern, dass ein weiteres ihrer Projekte auf Eis gelegt wird. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten.

Es ist aber einen Versuch wert. Denn Baukritiker hat es auch schon früher gegeben. Neu ist allerdings, dass der Kampf gegen die Kräne zunehmend von einer professionalisierten Protestbewegung getragen wird, der es oftmals gar nicht um das konkrete Vorhaben geht. Die Gegner wollen ihre Politikverdrossenheit und ein generelles Misstrauen gegenüber denen, die Stadt gestalten, zum Ausdruck bringen. Ob es Bauherren, Politikern und auch den vielen Menschen, die verzweifelt eine Wohnung in der Stadt suchen, nun gefällt oder nicht: An dieser Art der Bürgerbeteiligung kommt künftig kein Großprojekt mehr vorbei. Es wird also darauf ankommen, Fürsprecher zu finden – und zu mobilisieren. Denn solange vor allem diejenigen sich beteiligen, die aus Prinzip dagegen sind, haben selbst sozial ausgewogene Wohnungsbauprojekte keine Chance.