Ermittlungen

Ankläger ermitteln: 113 Korruptionsfälle in Berliner Behörden

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Jens Anker

Senat und Justiz rufen zu mehr Hinweisen gegen mögliche Bestechung auf

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat in diesem Jahr bislang 113 Korruptionsverfahren eingeleitet. Dabei gerieten 235 Beschuldigte in das Visier der Ermittler, sagte der Leiter der Spezialabteilung Korruption, Oberstaatsanwalt Rüdiger Reiff, bei einer Pressekonferenz in der Senatsjustizverwaltung am Mittwoch. Die Zahl der Prozesse wegen Korruption in Verwaltung und Wirtschaft lag mit neun Verfahren deutlich niedriger als im Vorjahr. Dabei kam es zu vier Verurteilungen. Zwei Mal verhängte das Gericht Geld- und zwei Mal Bewährungsstrafen. „Das ist eine geringe Fallzahl, es gibt aber eine hohe Dunkelziffer“, sagte Reiff. Im Jahr 2013 hat es nach Angaben der Justiz 126 Korruptionsverfahren mit 228 Beschuldigten gegeben. Es gab 19 Gerichtsverhandlungen und 22 Verurteilungen.

Auf Tippgeber angewiesen

Um die Aufklärungsquote zu erhöhen, benannte der Senat vor drei Jahren einen Vertrauensanwalt, bei dem sich Informanten melden können, die anonym auf mögliche Korruptionsfälle hinweisen. „Die Behörden sind in diesem Bereich besonders auf Tippgeber angewiesen“, sagte Reiff. Anders als bei anderen Kriminalitätsfeldern, wo die Opfer ein Interesse an der Aufklärung hätten, gebe es bei der Korruption nur Täter – den Bestechenden und den Bestochenen.

Nach dem Willen des Justizsenators Thomas Heilmann (CDU) soll die Einrichtung des Vertrauensanwaltes bekannter werden. „Die Abwesenheit von Korruption ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Staat funktioniert“, sagte Heilmann am Mittwoch. Mit der Einrichtung eines Vertrauensanwaltes sei Berlin bundesweit Vorreiter. Während der Anwalt 2013 lediglich einen Fall wegen eines plausiblen Anfangsverdachtes an die Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft zur weiteren Überprüfung weiterleitete, waren es in diesem Jahr bereits 15 mögliche Fälle. „Ich hätte gedacht, dass es mehr sein würden“, sagte Rechtsanwalt Christoph Partsch, der seit drei Jahren das Amt inne hat. Mögliche Hinweisgeber können sich über das Internet an ihn wenden (www.vertrauensanwalt.com). Bei plausiblen Fällen verabredet Partsch sich mit den Informanten und prüft das Material. Jeden Tag melden sich zwei bis drei mögliche Hinweisgeber, die allermeisten möglichen Fälle erweisen sich jedoch als wenig stichhaltig, so Partsch.

Das Land Berlin geht auf mehreren Ebenen gegen Bestechung und Bestechlichkeit vor. Neben dem Vertrauensanwalt und der Spezialabteilung beim Generalstaatsanwalt gibt es die Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung und die Anti-Korruptionsarbeitsgruppe der Verwaltung. Nach Ansicht der Opposition im Abgeordnetenhaus ist das jedoch noch nicht genug. „Appelle allein reichen nicht aus“, sagt der Fraktionschef und Rechtsexperte der Linkspartei, Klaus Lederer. Der Senat müsse endlich auch ein elektronisches System einrichten, das Hinweisgebern ermöglicht, Dokumente anonym an die Ermittler weiter zu leiten.

Die Einrichtung eines entsprechenden Mail-Systems war noch vom rot-roten Senat vor mehr als drei Jahren beschlossen worden, scheiterte aber bislang an technischen Schwierigkeiten. „Man darf mit den Bemühungen im Kampf gegen Korruption nie aufhören“, sagte der Rechtsexperte der Grünen, Dirk Behrendt. Es sei falsch, davon auszugehen, dass es wegen der geringen Fallzahlen in Berlin keine oder kaum Korruption gebe.

Nach Angaben des obersten Korruptionsbekämpfers Reiff und des Vertrauensanwaltes Partsch sind vor allem Auftragsvergaben, behördliche Genehmigungen, wie Aufenthaltsgenehmigungen und Führerscheine, Angriffsziele für Korruption.