ZOB und S-Bahn verbindet eine Unterführung für Fußgänger. Doch immer wieder versuchen Eilige, den breiten Messedamm zu überqueren
Wer in Berlin mit dem Fernbus abfährt oder ankommt, muss über diese Kreuzung: Sechsspurig treffen am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) Messedamm, Neue Kantstraße und Masurenallee aufeinander. Einen Überweg für die Busreisenden, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen oder weiterfahren wollen, gibt es nicht. Sie sollen eigentlich den Fußgängertunnel unter der Kreuzung nutzen. „Vor allem mit schwerem Gepäck ist die Unterführung eine Zumutung“, ärgert sich Cornelia S., die auf dem Weg zum Bus in Richtung Warschau ist. Viele Fußgänger versuchen deshalb, die Kreuzung auf der Straße zu überqueren. Das ist gefährlich, denn die Schaltungen für Rechts- und Linksabbieger aus allen Richtungen sind für Fußgänger kaum zu überblicken.
Die Kreuzung sei ein Problem, sagt Charlottenburg-Wilmersdorfs Bezirksstadtrat Marc Schulte (SPD), zuständig für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten und damit auch für die Situation an der viel befahrenen Kreuzung. Dass viele Fußgänger den Tunnel meiden, sei bekannt, sagt er: „Die Unterführung ist überaltert, so würde man heute nicht mehr bauen.“ Schulte nennt den Fußgängertunnel einen „Angstraum“. „Tagsüber werden die Unterführungen noch eher genutzt, aber wenn man mit dem Spätbus fährt und bei Dunkelheit dort durch muss, ist die Unsicherheit groß.“ Wer mit schwerem Gepäck unterwegs sei, meide den Weg durch den Tunnel ebenfalls, vor allem, wenn die Rolltreppen nicht funktionieren. „Ich fahre seit drei Jahren regelmäßig über den ZOB. Die Rolltreppen waren bis jetzt immer kaputt“, sagt auch Cornelia S. Dass es an der Kreuzung noch keinen schweren Fußgängerunfall gab, sei Glück, so Marc Schulte.
Die Zahl der Fernbus-Passagiere wächst. Der ZOB-Betreiber IOB rechnet in diesem Jahr mit 175.000 An- und Abfahrten von Bussen. Nach Schätzungen sitzen darin mehr als drei Millionen Passagiere. Wer nicht abgeholt wird oder Richtung Spandau mit dem Bus weiterfährt, muss die Kreuzung überqueren, um zur S-Bahn oder zur Bushaltestelle zu kommen. Der Bezirk würde den Reisenden diesen Weg gern erleichtern, fürchtet aber die hohen Kosten. „Für eine ebenerdige Querung wären viele bauliche Veränderungen nötig“, sagt Schulte. Man müsse von Investitionen in Millionenhöhe ausgehen, der Bezirk benötige deshalb Unterstützung. Schulte hofft, dass die Aufgabe in das Projekt Fußverkehrsstrategie des Senats aufgenommen wird, mit dem Fußgängern der Weg durch die Stadt erleichtert werden soll. Er argumentiert, die Strecke sei wegen des zunehmenden Fernbusverkehrs zu einem viel genutzten Fußgängerweg geworden.
Die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf hat bereits einen Antrag eingebracht, in dem sie sich für eine Neugestaltung der Kreuzung einsetzt. Das Bezirksamt solle sich bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für eine oberirdische Querungsmöglichkeit einsetzen, heißt es darin. Den Umbau und die Planung neuer Ampelphasen seien „als Beitrag zu der vom Senat beschlossenen Fußgängerstrategie und Verkehrssicherheitsstrategie zu finanzieren“.
In der Senatsverwaltung sieht man „im Moment allerdings keine Finanzierungsmöglichkeit“ für einen Umbau, der Fußgängern und Autoverkehr gerecht werden könnte. Die derzeitige Ampelanlage an der Kreuzung stamme aus den 70er-Jahren, Fußgängerampeln seien nie geplant gewesen, teilt die Pressestelle mit. Seit Ende der 80er-Jahre gibt es die Ampeln für Radfahrer. Ihre Grünphasen nutzen viele Fußgänger, um auf dem Radweg die Kreuzung zu überqueren.
Eigentlich aber wären für Fußgänger längere Grünzeiten nötig, um die sechsspurigen Straßen überqueren zu können. Weil sie auf jede Grünphase lange warten müssten, sei „kein Komfort zu erwarten“ und eine solche Lösung erscheine nicht sinnvoll, teilte die Pressestelle mit. Zu der Frage, welche Alternativen es für Menschen mit schwerem Gepäck oder im Rollstuhl gibt, äußerte sie sich nicht.
Der Bezirk hofft dennoch weiter auf Unterstützung des Senats. Charlottenburg-Wilmersdorf könne den Umbau nicht finanzieren, sagt Bezirksstadtrat Schulte. Das Geld werde beispielsweise für die Sanierung von Straßen benötigt. Vorerst bleibt der Tunnel für Reisende, wie die SPD-Fraktion in ihrem BVV-Antrag schreibt, „eine hässliche, dreckige und beschwerliche Barriere“. Das findet auch Lion P. aus München: „Die Unterführung sieht milde gesagt unansehnlich aus. Und verlaufen habe ich mich auch.“