Alle Fraktionen sind für Bürgerbeteiligung, aber die Verfassung sieht keine Volksbefragung vor

Das Thema Olympia bleibt im Abgeordnetenhaus ein Konfliktfeld. Bei der Plenarsitzung am Donnerstag stritten Regierungskoalition und Opposition um Kosten und Bürgerbeteiligung. SPD, CDU, Grüne und Piraten hatten eine Resolution ausgearbeitet, mit der das Abgeordnetenhaus sich für die Bewerbung Berlins als Austragungsort der Olympischen und der Paralympischen Sommerspiele 2024 oder 2028 einsetzt. Über diese Entschließung wurde jedoch nicht abgestimmt, sie wurde in den Sport- und den Hauptausschuss des Landesparlaments überwiesen. Die Linke lehnt die Spiele wegen der hohen Kosten ab. Zunächst seien andere Investitionen in die Infrastruktur der Stadt notwendig.

Grüne und Piraten wollen eine Bewerbung Berlins nur unterstützen, wenn es eine transparente und demokratische Beteiligung der Bürger an dieser Entscheidung gibt. Das habe der rot-schwarze Senat versprochen, bisher aber kein Konzept dafür vorgelegt, kritisierten Redner der Opposition. „Für Sie ist Beteiligung immer noch eine inakzeptable Konkurrenzveranstaltung zur repräsentativen Demokratie“, sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek Richtung Senat. Die Grünen forderten ein Beteiligungsgesetz und einen Staatssekretär für Beteiligungsverfahren.

Linke warnt vor zu hohen Kosten

Alle Fraktionen wollen im Rahmen der Bürgerbeteiligung auch eine Volksbefragung. Wie diese aber gesetzlich ermöglicht, konkret umgesetzt und vor allem verbindlich gemacht werden soll, ist weiterhin umstritten. Die Landesverfassung sieht ein von der Regierung verordnetes Referendum nicht vor. Linke-Fraktionschef Udo Wolf warnte davor, für Olympia die Verfassung „austricksen“ zu wollen. „Wenn Sie eine Bürgerbeteiligung wollen, dann müssen Sie die Landesverfassung ändern“, betonte Wolf. Dafür sei eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Wolf warf dem Senat auch vor, allein eine Milliarde Euro für temporäre Olympia-Sportstätten ausgeben zu wollen, das sei angesichts der Haushaltslage Berlins unverantwortlich. In dem Resolutionsentwurf heißt es allerdings: „Eine Verschuldung des Landes Berlin durch eine Olympiabewerbung darf es nicht geben.“ Die Finanzierung müsse solide sein „unter angemessener Beteiligung des Bundes und der Privatwirtschaft“. Udo Wolf kommentierte, das sei angesichts der Milliardenkosten entweder blauäugig oder kalkuliere bereits „Einsparungen bei der Daseinsvorsorge“ ein. Dennis Buchner (SPD) und Tim Christopher Zeelen (CDU) verteidigten die Bewerbung. Berlin habe die besten Chancen, sich international durchzusetzen, sagte Buchner. Zeelen verwies auf die vielfältigen positiven Auswirkungen, die die Ausrichtung Olympischer Spiele auf Berlin und die gesamte Region hätte.

Die Resolution sieht zum Stichwort Bürgerbeteiligung den „Dialog mit der Zivilgesellschaft“ vor sowie eine „verbindliche Befragung über eine Olympiabewerbung“ auf der Basis eines „gemeinsam mit den Berlinern“ erarbeiteten Konzepts. „Abgeordnetenhaus und Senat erklären vorab, das Ergebnis als verbindlich zu akzeptieren“, heißt es weiter.

Es sei zu früh für ein ausgearbeitetes Konzept der Bürgerbeteiligung, sagte Innen- und Sportsenator Frank Henkel (CDU). Zunächst müsse der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am 6. Dezember entscheiden, ob und mit welcher deutschen Stadt er sich für die Sommerspiele 2024 oder 2028 bewirbt. Neben Berlin ist Hamburg im Rennen. Es gehe bisher nur darum, dass der Senat Ideen präsentiere, wie er sich Olympische Spiele vorstelle, so Henkel. Berlin könne von Olympischen Spielen stark profitieren, sagte Henkel im Gespräch mit der Berliner Morgenpost: „Hier können wir zeigen, dass wir als Stadt gemeinsam etwas auf die Beine stellen können, das viele Menschen mitnehmen und mitreißen kann. Ich glaube, es gäbe eine Geschichte zu schreiben, an der wir gemeinsam arbeiten können. Eine Geschichte, die sehr viele gesellschaftliche Anforderungen miteinbeziehen kann, zum Beispiel Nachhaltigkeit, Beteiligung, Inklusion, Mobilität, Transparenz und Bescheidenheit.“ Ein Großteil der Wettkampfstätten sei bereits vorhanden.

Der genannte Kostenrahmen von 2,2 Milliarden Euro beziehe sich allein auf Wettkampf- und Trainingsstätten, bestätigte der Senator. „Klar ist, die Spiele ziehen verschiedene Kosten nach sich. Das olympische und das paralympische Dorf kosten Geld, die Durchführung der Wettkämpfe, die Sicherheit, das Medienzentrum, Transport und Werbung. All das ist nicht eingepreist in diesen 2,2 Milliarden.“ Wichtig sei aber, dass Berlin die Kosten nicht allein stemmen muss. Es werde einen Zuschuss des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) geben, Henkel geht auch von einer Beteiligung des Bundes aus. Zudem bringe ein solches Event auch Einnahmen in die Stadt.

Gesamtkosten kann Henkel noch nicht nennen. Das sei erst möglich, wenn das IOC seine gesetzten Rahmenbedingungen und Anforderungen für die Spiele benannt hat. „ Klar ist jedoch, wir wollen bürgernahe und bescheidene Spiele. Wir wollen Spiele, die zu Berlin passen“, sagte Henkel.

Berlin könne sich Olympia finanziell leisten, denn es habe den großen Vorteil, „aufgrund des Bevölkerungszuwachses in der Dimension einer mittleren deutschen Großstadt“ ohnehin in Infrastruktur investieren zu müssen, sagte der CDU-Politiker. „Einwohnerzuwachs bedeutet zwangsläufig neue Wohnungen, neue Schulen und Kitas, neue Sportanlagen.“ Die Spiele könnten einen enormen Schub in der Metropolenregion auslösen.

Wünsche der Berliner beachten

Der Senat habe immer eine transparente Beteiligung der Bürger zugesagt. „Es müssen Spiele sein, hinter denen die Stadt steht.“ Schon jetzt sei eine Mehrheit der Berliner für Olympia in der Stadt. Die Ideen, Bedenken und Wünsche der Berliner müssten berücksichtigt werden. „Dazu sind gegebenenfalls neue Formate der Bürgerbeteiligung notwendig“, so Henkel. Henkel betonte, eine Volksbefragung, bei der die Berliner über ein Konzept zu Olympia mit Ja oder Nein abstimmen können, zu unterstützen. „Ich habe keine Angst vor einer Abstimmung. Die Frage ist aber, was stelle ich wie zur Abstimmung und wann? Wir sind noch nicht einmal im Bewerbungs-, sondern nur im Interessenbekundungsverfahren.“ Allerdings sehe die Berliner Verfassung eine Volksbefragung durch den Senat nicht vor. Er wolle keine Verfassungsänderung allein für die Olympischen Spiele, keine „Lex Olympia“. Er sei jedoch gerne bereit, über allgemeingültige Verfahren zu sprechen.

Die Resolution zur Olympiabewerbung wurde zunächst nur von den beiden Koalitionsfraktionen als Antrag eingebracht. Die Grünen wollen sie nur mittragen, wenn ein Beteiligungs- und ein Finanzierungskonzept wenigstens in Grundzügen vorhanden seien, sagte Fraktionschefin Ramona Pop. Die Zurückhaltung dürfte aber auch mit dem Landesparteitag der Grünen am 11. Oktober zusammenhängen. Dort stehen Anträge für und gegen Olympia zur Abstimmung. Offensichtlich will die Fraktionsspitze zunächst die Ergebnisse abwarten, bevor sie klar Position im Abgeordnetenhaus bezieht.