Prinzessin Charlotte von Preußen war die Erste. Schnaufend und pfeifend machte sie sich auf den Weg von Charlottenburg zur Pfaueninsel. Das erste in Deutschland gebaute Dampfschiff lief 1816 in Pichelsdorf vom Stapel und befuhr bis 1821 mit seinen Passagieren die Spree und die Havel. An die Prinzessin und ihre vielen Nachfolger auf den Berliner Gewässern erinnert das Buch „Die Dampfschifffahrt auf Havel und Spree“, das am heutigen Montag im Sutton-Verlag erscheint.
Autor Joachim Winde ist mit Flussschiffen groß geworden. Sein Großvater war Schiffer, die Familie lebte an der Elbe, bevor sie 1953 nach Ost-Berlin zog. Nach seinem Studium in Dresden arbeitete der Wirtschaftsingenieur für Verkehrswesen in der Binnenschifffahrt, „in der Verwaltung“, sagt er, und es scheint, als klinge ein bisschen Bedauern mit, dass er das Schifferleben nur auf dem Papier mitmachen konnte. Das Papier nahm er dafür umso ernster: Von 1960 an sammelte Joachim Winde Bücher und Zeitungsartikel über See- und Binnenschifffahrt. Inzwischen ist ein umfangreiches Archiv zusammengekommen, das er nun in seinem Haus in Brandenburg im Keller lagert. Um andere an seinem Wissen teilhaben zu lassen, schrieb er schon zu DDR-Zeiten Bücher über das Thema, steuerte Artikel zu Jahrbüchern bei, bevor er vor einem Jahr ein Buch über die Dampfschifffahrt auf der Elbe veröffentlichte. Jetzt folgen die Berliner Flüsse und Schiffe.
Das Buch beschreibt die Kanäle, die Spree und Havel mit Elbe und Oder verbinden, die Schleusen an den Wasserstraßen, die Häfen in Berlin, die Werften und die Unternehmen, die die Dampfer aufs Wasser schickten. Ohne die Frachtdampfschiffe, die Berlin mit Baumaterial belieferten, hätte die Stadt wohl kaum so schnell wachsen können. „Berlin wird aus dem Kahn gebaut“, hieß es Ende des 19. Jahrhunderts, als Ziegelsteine aus Brandenburg nach Berlin geliefert wurden. Und auch die Berliner selbst reisten per Schiff – bis die Eisenbahn das Reisen auf dem Wasser ablöste. So ganz wollte man aber nicht auf Schiffsausflüge verzichten: 1864 gründete sich die „Aktiengesellschaft für Dampfschiffahrt in Berlin und Cöpenick“ (das dritte f bekam die Schifffahrt mit der Rechtschreibreform 1996). 1889 folgte die Spree-Havel-Dampfschifffahrtsgesellschaft „Stern“, 1903 kam die „Teltower Kreisschiffahrt“ hinzu. 1934 wurden sie zur „Stern- und Kreisschiffahrt der Teltowkanal AG“.
In den 60er-Jahren ging die Epoche der Dampfer zu Ende. Als Letzter seiner Art fuhr bis 1967 der Personendampfer „Siegfried“ die West-Berliner im Ausflugsverkehr übers Wasser, im Osten war es „Komet“. Zwar wurde „Siegfried“ unter dem Namen „Kaiser Friedrich“ nach einer längeren Pause von 1994 an noch einmal als Ausflugsschiff eingesetzt. Seit 2012 aber liegt er im Tiergarten an der Schleuseninsel, während das Deutsche Technikmuseum als Besitzer nach einer Lösung sucht, wie der Dampfer künftig als Museumsschiff genutzt werden kann. Im Ausflugsverkehr haben Motoren die Dampfmaschinen längst ebenso ersetzt wie bei Fracht- und Schleppschiffen. Geschnauft und gepfiffen wird heute auf dem Wasser in Berlin nur noch selten.
Joachim Winde: Die Dampfschifffahrt auf Havel und Spree. Sutton, 19,99 Euro