Krankheitswelle unter Lehrern führt zu Notbetreuung. Kinder müssen mittags abgeholt werden

Die Eltern der Humboldthain-Grundschule in Gesundbrunnen haben in der vergangenen Woche ein mehr als ungewöhnliches Schreiben erhalten: Aufgrund des Personalmangels könne von Montag bis Freitag, 7. März, keine Ganztagsbetreuung für die Kinder mehr aufrecht erhalten werden, heißt es da. Nur für eine „eingeschränkte pädagogische Betreuung“ könne bis 16 Uhr gesorgt werden. Die Eltern der Kinder aus den ersten sechs Klassen werden gebeten, die Kinder möglichst schon um 12.30 Uhr abzuholen.

Für die Schüler ist damit der vorläufige Höhepunkt einer seit Wochen dramatischen Situation erreicht. Die Schule ist unterausgestattet, hinzu kommen längerfristige Erkrankungen. Die anderen Lehrer würden permanent am Limit arbeiten und dann aus Erschöpfung selbst krank werden, erklärt Katja Blocksdorf, Gesamtelternvertreterin der Schule. In der vergangenen Wochen waren 17 von insgesamt 60 Lehrern und Erziehern krank.

Klassen werden aufgeteilt

In dieser Woche soll sich die Situation laut Bildungsverwaltung entspannt haben, doch der Unterricht kann immer noch nicht wie gewohnt stattfinden. „Meine Tochter in der Schulanfangsphase ist frustriert, weil kaum ernsthaft gearbeitet wird“, sagt die Mutter Katja Blocksdorf. Die dritte Klasse ihres Sohnes sei aufgeteilt, derzeit werde er zusammen mit Viertklässlern unterrichtet.

Der Schule soll so schnell wie möglich geholfen werden, betont die Sprecherin der Bildungsverwaltung von Sandra Scheeres (SPD). Unterrichtsausfall dürfe es nicht geben. Auch eine befristete Einstellung von Lehrern soll nun möglich sein. Doch die Listen der Vertretungslehrer seien momentan leer, denn die meisten Bewerber seien jetzt zum zweiten Halbjahr fest eingestellt worden. Nun müsse der Pool erst einmal neu aufgefüllt werden.

Das Problem sei hausgemacht, sagt Bernhard Lilienthal, Personalrat vom Bezirk Mitte. Im Bezirk seien viele Schulen nicht ausreichend ausgestattet, dadurch würden die Lehrer dort besonders belastet und schließlich krank. Leidtragende seien die Kinder, denn die würden nicht die Förderung erhalten, die ihnen zustehe. „Zwar ist die Ausfallstatistik der Senatsverwaltung seit Jahren unverändert, doch da ist nur ein Bruchteil des tatsächlichen Ausfalls erfasst“, sagt Lilienthal. Zuerst müssten Stunden in den Klassen wegfallen, in denen jahrgangsübergreifend gelernt wird. Die werden von der Bildungsverwaltung nicht gezählt. Würde man diese Förderstunden mitrechnen, kämen die Schulen auf zehn Prozent Ausfall. Das habe der Personalrat in Mitte anhand einer Stichprobe selbst ermittelt.

Auch an anderen Schulen ist der Krankenstand hoch. Erfahrungsgemäß gebe es im November und Ende Februar aufgrund von Erkältungs- und Grippewellen die meisten Erkrankungen, sagt Inge Hirschmann, Vorsitzende des Grundschulverbandes. An der Hermann-Sander-Grundschule in Neukölln waren am Mittwoch nach Angaben der Schulleitung sechs Lehrer und acht Erzieher krank. „Für die Lehrer kann ich Vertretungskräfte finden, schlimmer ist die Situation bei den Erziehern, denn hier gibt es keinen Ersatz“, sagt Schulleiterin Rita Templiner. Auch sie habe in der vergangenen Woche die Eltern bitten müssen, die Kinder früher abzuholen, obwohl die Schule eine gebundene Ganztagsschule bis 16 Uhr sei.

Auch Florian Bublys von der Lehrerinitiative Bildet Berlin kritisiert, dass es zu wenige Vertretungskräfte an den Schulen gibt. Die statistische Erhebung der Bildungsverwaltung zum Unterrichtsausfall entspreche nicht der Realität. An der Oberstufe reiche es aus, „Aufgaben erteilt“ auf den Vertretungsplan zu schreiben, damit die Stunde nicht als Ausfall in die Statistik eingehe.

Eltern gehen auf die Straße

Die Elternvertreter der Humboldthain-Grundschule wollen die Situation nicht weiter hinnehmen und die Bildung für ihre Kinder einfordern, die ihnen zusteht. Auf einer neu eingerichteten Facebook-Seite „Elterninitiative Berlin“ wollen sie andere Eltern mobilisieren, an deren Schulen ähnliche Zustände herrschen. Am 27. März ist eine Demonstration geplant. Katja Blocksdorf sieht ein strukturelles Problem. „Es liegt nicht an den Lehrern, die strengen sich an und halten durch, bis sie umfallen“, sagt sie. Schuld sei die unzureichende Ausstattung mit Lehrern. „Wir fordern eine Ausstattung von 110 Prozent, damit Vertretungskräfte bei kurzfristigen Erkrankungen einspringen können“, sagt die Elternvertreterin.