Das Baiz muss schickeren Läden an der Christinenstraße weichen. Aus dem Umzug wird eine Demonstration gegen Gentrifizierung
Als erstes verlässt ein Barhocker das Baiz. Er wird gepackt, zur Tür gebracht und dort abgestellt. Neue Hände greifen zu, er wird zwei Meter getragen und weitergereicht. Von Hand zu Hand wandert er ganz langsam weiter weg von der Kneipe an der Torstraße. Die Christinenstraße geht es entlang, dann rechts ab in die Schwedter Straße und von dort aus nach links auf die Schönhauser Allee. Nach fast einem Kilometer kommt der Stuhl endlich zur Ruhe und wird im neuen Baiz, an der Ecke Wörther Straße, abgestellt.
Er bleibt dort nicht lange alleine. Andere Hocker folgen ihm, zusammengerollte Poster, Schilder und natürlich Gläser, Krüge, Kelche, Humpen und Tassen. Es sind Hunderte von Händen, durch die die Gegenstände gehen. Da sind die alten Stammgäste, Passanten, die spontan mithelfen, und Studenten wie die 19-jährige Hannah Teichert, die zuvor nie im Baiz war, aber weiß, dass „ohne die Kneipe ein bisschen Vielfalt im Viertel verloren gehen würde“.
All diesen Helfern geht es um mehr als einen Umzug per Menschenkette. Die Betreiber des Lokals haben den Transport ihres Hab und Guts als Demonstration organisiert. Es geht hier um den Fortbestand einer Bar, die sich als Fels in der Brandung versteht, als Überrest des alten, linksalternativen Prenzlauer Bergs. In den vergangenen Jahren wurde es immer enger für die Kiezkneipe. Die Mieten stiegen rasant, die Drinks wurden teurer und nach und nach fanden sich entlang der Torstraße statt der üblichen Berliner Kneipen immer mehr schicke Cafés und Modegeschäfte. Auch das Haus an der Ecke Christinenstraße, in dessen Erdgeschoss die Bar bis jetzt lag, wurde vor einem Jahr an einen neuen Besitzer verkauft. Der sanierte das Gebäude, verlängerte den Mietvertrag mit der Bar nicht und zwang das Baiz so zum Auszug. „Wir haben eigentlich Glück“, sagt Matthias Bogisch, der Wirt der Kultkneipe.
„Trifft so etwas Privatmieter oder einen kleinen Blumenladen, interessiert das natürlich weniger Leute.“ So wollen die Betreiber des Baiz mit ihrem Demo-Umzug auf die steigenden Mieten, die Verdrängung alter Geschäfte, kurzum auf die als kulturschrumpfend empfundene Gentrifizierung aufmerksam machen. Die Helfer sind beklebt mit Schildern auf denen steht: „Baiz bleibt!“ oder „Spätis erhalten!“
Die neue Bar liegt nun in unmittelbarer Nähe zum Kollwitzplatz. Im Herzen der Gentrifizierung. Der Bestand des Szenetreffpunkts ist aber auf jeden Fall erst einmal gesichert. Die Betreiber haben die neuen Räume gekauft. Mieterhöhungen können der Kultkneipe also fortan egal sein. Nach dem Motto: „Baiz bleibt – woanders!“