Flughafenbau

„Ohne Kompass“

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Joachim Fahrun und Gudrun Mallwitz

Druck auf Mehdorn: Minister verlangt nach Stopp des Testbetriebes Konzept für BER. Techniker warten auf Brandschutzplan

Die Absage des von Flughafenchef Hartmut Mehdorn lange angestrebten Testbetriebs am Nordpier des neuen Flughafens BER hat die Zweifel am Gelingen des Gesamtprojekts wachsen lassen. Auch der neue Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verlangt baldige Klarheit. Die Geschäftsführung müsse möglichst zur Aufsichtsratssitzung im April ein Konzept mit verbindlichen Aussagen etwa zum Zeithorizont, weiteren Schritten und den Kosten vorlegen, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Die Grünen im Bund machen ebenfalls Druck: „Wie lange wollen sich der Aufsichtsrat – und damit auch die Vertreter der Bundesregierung – die Kapriolen von Hartmut Mehdorn eigentlich noch gefallen lassen?“, fragte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stephan Kühn. Mit dieser Personalaufstellung werde „der Flughafen nie fertig“. Mehdorns Beschleunigungsprogramm Sprint sei „zu einem Orientierungslauf geworden, bei dem niemand einen Kompass dabei“ habe.

Tatsächlich hat der Flughafenchef nach Informationen der Morgenpost aus Aufsichtsratskreisen noch größere Probleme als den Verzicht auf den Probebetrieb mit wenigen Flügen täglich, für dessen Scheitern er die mangelnde Unterstützung der Aufsichtsräte verantwortlich machte. Die Flughafengesellschaft findet offenbar keinen Fachmann, der ihr die dringend benötigte Entrauchungsmatrix erstellen kann und will. Diese Unterlage ist die Grundlage dafür, dass die in kleineren Einheiten neu konzipierte Brandschutzanlage überhaupt zum Laufen gebracht werden kann. In einer solchen Matrix muss für alle denkbaren Brandfälle und die jeweilige Windrichtung und -stärke dargestellt sein, welche Klappe sich zur Ent- oder Belüftung eines jeden Raumes nach außen öffnen muss. Ohne eine solche Unterlage können die Siemens-Techniker nicht anfangen, das Gesamtsystem für die elektronische Steuerung zu programmieren.

Ein Aufsichtsrat sagte, die Flughafengesellschaft habe immer noch keinen Fachmann für die Entrauchungsmatrix gefunden. Ohne den gehe jedoch nichts weiter, denn dieser Experte müsse das gesamte System beim Brandschutz koordinieren, das ja bisher nicht ineinandergreift. Zwar habe es eine Ausschreibung gegeben, aber der Auftrag sei so kompliziert und undankbar, „dass sich keiner da ran traut“. Aus dem Hause Siemens hieß es, aus ihrer Sicht habe sich nichts verändert. Man habe im Oktober 2013 einen Erweiterungsauftrag für die zusätzliche Steuerung auch der Nachströmung von Frischluft erhalten, sagte ein Konzernsprecher.

Siemens braucht 18 Monate Zeit

„Voraussetzung für den Beginn dieser Arbeiten sind der fristgerechte Abschluss von Arbeiten anderer Firmen und die finalen Unterlagen zur Entrauchungsmatrix vom Flughafen. Wenn dieses vorliegt, beginnen unsere mit dem Flughafen vereinbarten Arbeiten.“ Siemens selbst hatte sich 18 Monate ausbedungen, um seinen Teil zu erledigen. Selbst wenn die Siemens-Leute jetzt beginnen würden, wären sie also erst Ende 2015 fertig. Rechnet man den notwendigen Testbetrieb hinzu, wäre selbst nach diesem Stand eine Eröffnung des BER erst frühestens 2016 denkbar. Weil die Matrix aber noch nicht vorliegt, dürfte es noch länger dauern. Flughafenchef Mehdorn geht jedoch davon aus, dass Siemens die Arbeiten auch schneller erledigen kann. Kürzlich hatte er davon gesprochen, die Bauarbeiten am Flughafen Ende 2014 abschließen und dann in die Testphase eintreten zu können.

Die Flughafengesellschaft wollte sich nicht zu den Problemen mit der Ausschreibung der Entrauchungsmatrix äußern. „Die Arbeiten laufen“, sagte ein Sprecher ohne zu sagen, welche Planungen bereits erfolgreich vergeben seien und welche nicht.

Während die Kernprobleme des Baus, die Entrauchungssysteme, weiterhin Probleme bereiten, steht nach dem abgesagten Probebetrieb ein weiteres Vorhaben Mehdorns in Frage. Nämlich die Sanierung der nördlichen Rollbahn in Schönefeld, die der neue BER vom alten Flughafen SXF übernehmen soll.

Für die Bauphase sollen die Jets von SXF die neue südliche Rollbahn des BER nutzen. Weil 4300 Anwohner dort aber noch keinen Schallschutz haben, stellt sich Brandenburg dagegen. „Es geht um geltendes Recht und keineswegs um Nachforderungen“, verteidigte der Potsdamer Flughafen-Koordinator Rainer Bretschneider die Forderung, dass vor dem Start erst alle betroffenen Haushalte Schallschutzfenster und Dämmungen erhalten sollen. Ein erfolgreicher Flughafen brauche den Frieden mit dem Umland, sagte Bretschneider.

Ein Start der Sanierung vor der Landtagswahl in Brandenburg im September ist nach dieser Vorgabe praktisch ausgeschlossen. Mehdorn hatte jedoch angekündigt, notfalls auch zu starten, wenn noch nicht alle Schallschutz haben. Das Infrastrukturministerium in Potsdam teilte am Freitag auf Anfrage mit, für eine Entscheidung die Interessen der Anwohner und des Flughafens gegeneinander abzuwägen, sollte Schallschutz zum Betriebsstart nicht vollständig realisiert sein.

( mit dpa )