Wie werden behinderte Kinder in den Unterricht integriert? Vier Bezirke bieten jetzt Beratung an

Noch immer liegt kein Konzept für das Inklusion genannte gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern in Berlin vor. Doch vier Bezirke nehmen das Projekt trotzdem schon einmal in Angriff. Neukölln, Tempelhof-Schöneberg, Steglitz-Zehlendorf und Marzahn-Hellersdorf sind gegenwärtig dabei, jeweils ein Beratungs- und Unterstützungszentrum für inklusive Pädagogik einzurichten. Die Zentren sollen noch im ersten Halbjahr 2013 ihre Arbeit aufnehmen.

Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagt, dass es sich bei den Einrichtungen um Pilotprojekte handelt, mit denen man erste Erfahrungen sammeln will. "Das Angebot soll eine Anlauf- und Ansprechstelle für Eltern, Lehrer sowie Schüler in allen Fragen der inklusiven Beschulung sein", so Stoffers. Geplant sei, diese Zentren nach Ablauf der Pilotphase in allen Bezirken einzurichten.

Warnung des Elternvertreters

Elternvertreter Frank Heldt, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Inklusion, begrüßt die Einrichtung von Beratungszentren. Er warnt jedoch davor, sie zu installieren, bevor überhaupt ein Inklusionskonzept vorliegt. "Das kann zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen in den einzelnen Bezirken führen", sagt er. Dabei seien einheitliche Qualitätsstandards bei der Beratung unbedingt erforderlich.

Heldt befürchtet zudem, dass die geplanten Beratungszentren zu eng mit der Senatsbildungsverwaltung verbunden sein und deshalb nicht unabhängig arbeiten könnten. "Unklar ist darüber hinaus, ob genügend Personal für diese Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird", sagt Heldt. In Bremen, wo es derartige Beratungsangebote bereits seit Längerem gebe, würden viele Mitarbeiter inzwischen flüchten, weil die Arbeitsbelastung viel zu hoch ist.

Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD) findet Beratungszentren sinnvoll und dass "unabhängig davon, wie das neue Inklusionskonzept aussehen wird". Giffey ist davon überzeugt, dass diese Zentren vor allem für Lehrer hilfreich sein werden. "Viele sind nicht ausreichend darauf vorbereitet, bald behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichten zu müssen", sagt sie. Die Lehrer brauchten Fortbildungsmöglichkeiten. Da, wo behinderte Kinder bereits an einer Regelschule lernen, hätten Pädagogen zudem großen Beratungsbedarf.

Neukölln investiert 40.000 Euro

Das Neuköllner Beratungszentrum wird im Gebäude der Karlsgarten-Grundschule eingerichtet, der einzigen Modellschule für Inklusion, die es bisher in dem Bezirk gibt. Die Bauarbeiten laufen bereits. "Wir investieren 40.000 Euro", sagt Stadträtin Giffey. Das Zentrum soll schon in wenigen Monaten seine Arbeit aufnehmen. Anfangs werde es dort nur eine Mitarbeiterin geben.

Tempelhof-Schöneberg hat zwar ebenfalls die Genehmigung von der Bildungsverwaltung bekommen, ein inklusives Beratungszentrum einzurichten, anders als in Neukölln ist die Standortfrage dort noch nicht geklärt. Bildungsstadträtin Jutta Kaddatz (CDU) sagt, dass sie auf der Suche nach bezirkseigenen Räumlichkeiten sei, um Miete zu sparen. Kaddatz hat kein Problem damit, auch ohne fertiges Inklusionskonzept mit der Einrichtung eines Beratungszentrums zu beginnen. Sie fordert Bildungssenatorin Sandra Scheeres aber auf, möglichst schnell die langfristige Finanzierung dieser Einrichtung zu sichern.

Bezirkliche Beratungszentren für die inklusive Schule waren schon im Inklusionskonzept des ehemaligen Bildungssenators Jürgen Zöllner (SPD) vorgesehen. Doch sein Vorhaben wurde im Sommer 2011 im Abgeordnetenhaus als unausgereift zurückgewiesen. Die Abgeordneten kritisierten damals unter anderem, dass Zöllner das gemeinsame Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder an Regelschulen ohne zusätzliche Mittel durchdrücken wollte.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres ist nun seit Herbst 2011 dabei, Zöllners ursprüngliches Konzept zu überarbeiten. Neben den Experten ihrer Verwaltung sind auch Lehrer, Eltern und Betroffenenverbände in diesen Prozess einbezogen. Das neue Konzept soll den Abgeordneten noch vor der Sommerpause 2013 vorgelegt werden - so sieht es der Plan von Senatorin Scheeres vor. "Mit mir wird es keine kostenneutrale Umsetzung eines Inklusionskonzepts geben", sagte sie erst kürzlich wieder. Sie beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag, in dem festgelegt ist, dass die erforderlichen Ressourcen sowohl personeller als auch materieller Art bereitgestellt werden sollen.

In den Bezirken ist man allerdings skeptisch. Die Stadträtinnen Giffey und Kaddatz fordern deshalb zumindest für die Finanzierung der Beratungszentren klare Aussagen von Bildungssenatorin Scheeres. Und das möglichst schnell.