Szene

Extravagantes aus Kreuzberg

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Julia Siepmann

Mit "Achtland" erobern Thomas Bentz und Oliver Lühr die Modeszene

Wer wissen will, was Thomas Bentz und Oliver Lühr, die Designer des Modelabels "Achtland", den ganzen Tag so machen, der muss bloß ihr Kreuzberger Atelier besuchen. Da wird er nämlich schon auf dem Weg die Antwort finden. "Reden" , "zeichnen", "planen", "konzentrieren", "gestalten", "berechnen" - diese Worte prangen in großen Lettern an den Wänden des Gewerbehofes am Moritzplatz, dort, wo auch das Designteam sein Studio hat. Das passt gut zu ihnen, denn Bentz und Lühr wissen nicht nur mit Skizzenblock und Nähmaschine, sondern auch mit Worten umzugehen und vielleicht ist es das, was ihr kleines Modelabel so erfolgreich gemacht hat.

So haben der 33-jährige Bentz und der 32-jährige Lühr bereits an Fashion Week und Vogue-Salon, der Plattform für junge Designer von Chefredakteurin Christiane Arp, teilgenommen und verkaufen ihre Modelle im exklusiven Departmentstore des Quartier 206 an der Friedrichstraße. Und das alles, obwohl es Achtland erst seit einem Jahr gibt und die beiden Designer erst zwei Kollektionen vorgelegt haben. In diesem Monat feiern die Modemagazine Elle und Vogue gleichzeitig die neusten Kreationen von Bentz und Lühr: Sie zeigen lässige Hemdblusenkleider aus Seidenchiffon und aufwendige Cocktailkleider aus Nappaleder mit handgearbeiteter Macramé-Spitze.

Von all diesem Glamour ist an diesem Nachmittag im Kreuzberger Atelier jedoch nichts zu spüren. Stattdessen sieht es in den beiden nüchternen Räumen nach Alltag und Arbeit aus. Thomas Bentz sitzt zwischen Computer und Aktenordnern, während Oliver Lühr eine Praktikantin beobachtet, die neben einer Nähmaschine sitzt und aus langen Lederbändern einen Pullover strickt. "Ein Experiment", erklärt der Designer und lächelt, "mal sehen wie der wird".

So kapriziös die Achtland-Modelle auch sind, ihre Erfinder wirken nicht wie extravagante Stil-Ikonen. In Hemd, Hose, V-Pullover und Sakko wirken sie brav und erwachsen zugleich, fast so, als würden sie eine britische Elite-Uni besuchen. Und genau das haben sie auch getan. Oliver Lühr wurde am renommierten Central-Saint-Martins-College zum Designer ausgebildet, während Bentz in London Politik und Wirtschaft studierte. Bevor sie schließlich ihr Label gründeten und nach Berlin zogen, sammelten beide noch eine Menge praktischer Erfahrungen, Lühr ging für Chloé und Balenciaga nach Paris, Bentz arbeitete für das britische Chatham House, einem global arbeitenden britischen "Think Tank". Doch irgendwann hatte er davon genug. "Ich wollte etwas schaffen, das man auch wirklich greifen kann.", sagt er. So etwas wie ein Kleidungsstück, eben.

Mit Achtland haben beide sich einen Traum erfüllt und mit dem verrückten Namen wollen sie einen Hinweis auf die Art von Frau geben, die ihre Kreationen tragen soll. "Stark und unabhängig soll sie sein", wünscht sich Bentz. So eine wie Achtland eben, jene keltische Königin, der die irdische Männerwelt zu langweilig wurde und die sich stattdessen einen Gott als Ehemann aussuchte.

Auch für ihre letzte Kollektion (Frühling/Sommer 2013) haben sich Achtland von solchen Superweibern inspirieren lassen. Da standen die Meeresforscherin Sylvia Earle und ihre Mitarbeiterinnen, die "Aqua Babes", Pate für die schicken Kostüme und Kleider. Einige der Prototypen hängen im Nebenraum auf einer Kleiderstange: Jäckchen aus feinstem Tweedstoff mit passenden Shorts, strenge Kleider aus Seidengeorgette. Das aufwändigste Kollektionsteil ist ein Oberteil aus Spitze, die die beiden extra in Italien anfertigen ließen. Doch damit war die Reise der Spitze noch nicht zu Ende. "Danach haben wir sie per Hand bemalt und nach Bombay geschickt, wo sie mit korallfarbenen Stab-Perlen vernäht wurde."

Ist so ein Prozedere für Jungdesigner nicht sehr extravagant? Lühr lächelt: "Das ist das Tolle an der Selbstständigkeit, wir können auch mal was ausprobieren." Das Motto für ihre dritte Kollektion "LA-Verbier" soll ein Lebensgefühl sein. Sie wollen die Leichtigkeit der kalifornischen Metropole mit der Romantik des Schweizer Skiortes kombinieren. Fotos, Bilder und Stoffproben haben sie dazu an eine Pinnwand geheftet. Ob Berlin sie auch schon modisch inspiriert hat? "Natürlich", sagt Oliver Lühr und erzählt von ihrem "Berliner Wintermantel", einem Lederparka, der innen komplett mit Pelz gefüttert ist. "Den Luxus verstecken", sagt er, "das passt zu Berlin".