Die Verantwortlichen des Fußballvereins Hertha BSC haben mit Entsetzen und Betroffenheit auf den brutalen Übergriff auf einen jungen Mann nach dem Spiel gegen Dynamo Dresden reagiert. "Zuerst sind wir tief betroffen über diesen ungeheuerlichen Vorfall und verurteilen diesen auf das Schärfste. Hertha BSC wird alle Bemühungen und Ermittlungen der Polizei unterstützen, den oder die Täter zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen, sagte Geschäftsführer Ingo Schiller: Der Verein will versuchen, den betroffenen Fan zu kontaktieren, um ihm Hilfe anzubieten. Auch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) äußerte sich am Sonnabend sehr betroffen. "Ich verurteile diese perfide und brutale Tat aufs Schärfste", sagte der CDU-Politiker der Berliner Morgenpost.
Wie berichtet, hatten nach dem Hertha-Spiel gegen Dynamo Dresden vor einer Woche bislang unbekannte Täter einen behinderten Hertha-Fan auf dem S-Bahnsteig Olympiastadion zunächst niedergeschlagen und dann dessen Fan-Schal so um den Hals gelegt und verknotet, dass er zu ersticken drohte. Lange Zeit fiel der hilflose 31-Jährige, der unter dem Downsyndrom leidet, niemandem auf, erst Bundespolizisten wurden auf die lebensbedrohliche Lage des Mannes aufmerksam.
Die Fahndung nach den Tätern blieb bislang ohne Erfolg. Beim Spiel Hertha gegen 1860 München am Freitag informierte die Polizei mit Plakaten und Handzetteln erneut über den Übergriff. Die Aktion brachte aber keine Hinweise. Die Ermittler bitten daher nochmals Zeugen, die Hinweise zur Tat geben können, sich unter Tel. 030-4664 977 210 zu melden.
Darüber hinaus sind die Beamten des zuständigen Fachkommissariats Sportgewalt (ehemalige Ermittlungsgruppe Hooligans) immer noch damit beschäftigt, die Aufnahmen der Videokamera vom fraglichen Bahnsteig am S-Bahnhof Olympiastadion auszuwerten. Eine Arbeit, die sich angesichts der Menschenmassen nach dem Spiel gegen Dresden, als ausgesprochen schwierig und langwierig erweist. Wichtig für die Beamten ist der Zeitraum zwischen 19.45 Uhr und 20.05 Uhr. Während dieser 20 Minuten soll die Tat nach einer ersten Einschätzung der Ermittler begangen worden sein. Auch die Polizei in Dresden ist mit dem Fall inzwischen befasst. Denn nach Angaben eines Sprechers kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Täter aus den Reihen der als besonders gewaltbereit geltenden Hooligans im Umfeld von Dynamo Dresden kommen. Beamte führen derzeit Befragungen in der Szene durch. Ergebnisse kann aber auch die Dresdener Polizei nicht vermelden.
Angesichts mehrerer weiterer brutaler Attacken auf Fahrgäste in der vergangenen Woche ist auch die Debatte über die Sicherheit bei der Berliner S-Bahn neu entbrannt. Ein zentraler Punkt der Diskussion ist dabei der Einsatz von Überwachungstechnik. Denn anders als bei der landeseigenen BVG werden bei der S-Bahn nur wenige Bahnhöfe mit Kameras überwacht. In den Zügen gibt es überhaupt keine Überwachungstechnik. Die Überlegung, bereits für die Zugabfertigung installierte Kameras auch für Sicherheitskontrollen zu nutzen, scheitert bislang an der kategorischen Ablehnung des Betriebsrats. Dieser befürchtet, dass die Technik auch zur Überwachung der Arbeit der Mitarbeiter eingesetzt wird.
Doch die Koalitionsparteien machen in der Sache nun Druck. "Die Videoüberwachung bei der S-Bahn nach dem Vorbild der BVG muss sein", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Peter Trapp (CDU). Die Aufzeichnungen der Kameras mit einer Speicherfrist von 48 Stunden würden helfen, Straftaten aufzuklären. Der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck sagte, die S-Bahn habe trotz einer steigenden Zahl von Straftaten auf ihren Anlagen und in ihren Zügen die Gegenmaßnahmen in den letzten Jahren nicht verstärkt. "Die S-Bahn schlampt weiter bei der Sicherheit, an ihren Fahrzeugen ebenso wie bei der Sicherheit der Fahrgäste." Langenbrinck forderte den Einsatz von mehr Sicherheitspersonal in Uniform und die Ausrüstung der Bahnhöfe mit Überwachungskameras.
S-Bahn-Chef spricht mit Betriebsrat
S-Bahn-Geschäftsführer Peter Buchner hält jedoch die Befürchtungen der Gewerkschafter für unberechtigt und kündigte im Gespräch mit der Berliner Morgenpost an, zu dieser Frage erneut Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufnehmen zu wollen. Hintergrund ist das umstrittene neue Zugabfertigungssystems "ZAT-FM", das nach vielen Jahren der Vorbereitung nun ab 2013 schrittweise eingeführt werden soll. Bei der "Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer" (ZAT) gibt nicht das Aufsichtspersonal sondern der Lokführer sich selbst das Abfahrtsignal. Dadurch kann die S-Bahn das Aufsichtspersonal auf den Bahnhöfen einsparen. An unübersichtlichen Bahnsteigen sollen Kameras den Triebfahrzeugführern helfen, sich einen Überblick zu verschaffen. Allerdings sollen nur auf etwa der Hälfte der insgesamt 166 S-Bahnhöfe in Berlin und Brandenburg solche Kameras montiert werden. Die haben zudem nur die Bahnsteigkanten "im Blick". Eine Überwachung des gesamten Bahnhofs und der besonders schwer einsehbaren Zugänge ist damit nicht möglich.