Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz muss ihren Posten räumen - CDU ist erleichtert
Freunde in der CDU hat sie zum Schluss keine mehr gehabt: Am Sonnabend erklärte Sybille von Obernitz, die parteilose Wirtschaftssenatorin, die von der CDU in den Senat geholt worden war, ihren Rücktritt. Auf Druck von CDU-Parteichef Frank Henkel. Zu groß war die Unzufriedenheit mit der 50-Jährigen geworden, seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2011 hatte sie mehr negative als positive Schlagzeilen erzeugt. Der Streit mit der Messegesellschaft, einem überaus erfolgreichen Landesunternehmen, kostete sie am Sonnabend den Posten.
Nur gut neun Monate ist Sybille von Obernitz im Amt gewesen. Auf Empfehlung der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) wurde sie von der CDU zur Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung berufen. Sie habe einen "sehr guten Ruf", hieß es damals. Doch die Parteilose kannte zwar die IHK und auch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), wo sie zuvor für Bildungsfragen zuständig gewesen war, aber sie war noch nie in einer solchen Führungsposition und sie kannte Berlin nicht. Weder die Probleme der Stadt, noch die Partei, noch die Medien. Innerhalb kürzester Zeit brachte Sybille von Obernitz zahlreiche CDU-Abgeordnete gegen sich auf, außerdem zahlreiche Wirtschaftsvertreter. Selbst die IHK ging merklich auf Distanz.
Verhältnis verschlechtert sich
Peter Zühlsdorff, der Aufsichtsratsvorsitzende der Marketingorganisation Berlin Partner, schmiss schon im Frühjahr hin, weil sie sich in den Kurs seiner Gesellschaft einmischen und diesen mehr bestimmen wollte, als es Zühlsdorff recht sein konnte. Das Verhältnis zur Messegeschäftsführung verschlechterte sich schon im Frühsommer, weil sie mit deren Planung für ein neues Kongresszentrum in Lichtenberg nicht einverstanden war. Der Messe-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Kamp verstand bald die Welt nicht mehr.
Doch auch in der CDU kam die 50-Jährige nicht zurecht. "Hilfe nahm sie gar nicht erst an", sagte am Sonnabend ein führender CDU-Politiker, der lange zu ihr gehalten hatte. Denn sie wollte mit dem Kopf durch die Wand, band die Wirtschaftspolitiker der CDU-Fraktion nicht ein - nicht bei der schwierigen Frage, wie die Zukunft des Internationalen Congress Centrums (ICC) aussehen soll, nicht bei der noch schwierigeren Frage, wie man den Wasserpreis in Berlin senken kann. Von Obernitz sprach, so schimpften die CDU-Abgeordneten, schon seit Wochen mehr mit dem ebenfalls parteilosen Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der für die SPD im Senat ist, als mit Henkel oder anderen CDU-Politikern. Auch nach Krisengesprächen im kleinen Kreis - mit Henkel, mit CDU-Generalsekretär Kai Wegner oder mit CDU-Fraktionschef Florian Graf - änderte sie ihr Verhalten nicht.
Ein bisschen Spielraum gewann die Senatorin noch, als sie vor wenigen Tagen die neue Struktur für die Marketingorganisation Berlin Partner und Technologiestiftung Berlin präsentieren konnte. Für das neue Konzept hatte sie den anerkannten Gesundheitsexperten Günther Stock gewinnen können. Da gab es noch Lob für sie, auch vom Präsidenten der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer. Manch einer dachte, dass sie nun ihren Weg gefunden hätte.
Sybille von Obernitz wurden letztlich ihre eigenen Fehler zum Verhängnis. Aus Ärger über die Messegesellschaft, mit deren Vorschlägen für einen Nachfolger für Messechef Raimund Hosch sie nicht einverstanden war, startete sie ein neues, ein zweites Auswahlverfahren. Die Personalagentur beauftragte sie freihändig, obwohl sie diese erst nach einer öffentlichen Ausschreibung hätte auswählen dürfen. Und sie ließ just zur Elektronikmesse Ifa eine Stellenanzeige in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schalten - ein Affront gegen den Messe-Aufsichtsratsvorsitzenden Kamp. Kamp, der ehemalige Philipps-Manager ist zum einen für das erste Auswahlverfahren verantwortlich, zum anderen ist ihm zu verdanken, dass die Ifa wieder jährlich in Berlin stattfindet.
Zu späte Einsicht
Als der Konflikt am vergangenen Donnerstag öffentlich wurde, äußerte sich Kamp auch erstmals öffentlich. An dem zerrütteten Verhältnis zwischen der Messegesellschaft und der Wirtschaftssenatorin bestand danach kein Zweifel mehr. Und der Schaden drohte immer größer zu werden, denn von Obernitz sah ihre Fehler zunächst nicht ein. Dann distanzierten sich andere Branchenvertreter, die wichtig für den Messestandort Berlin sind - die Tourismuswirtschaft, der Bauernverband. Die Senatorin lenkte am Freitag ein, versuchte ihr Verhalten nochmals zu erklären, sprach von Mängeln bei dem zweiten Auswahlverfahren und sagte, sie werde die Kosten für die Anzeige selbst tragen.
Doch das kam zu spät. Auch für die CDU-Führung, die so viele Wochen zu ihr gehalten hatte. Bei allen kritischen Äußerungen, die man über von Obernitz hörte. "Wir haben ihr lange Zeit Rückdeckung gegeben", sagte CDU-Chef Henkel am Sonnabend. "Gerade auch, als es Kritik von innen und außen gab." Aber die Solidarität war am Freitag aufgebraucht, als klar war, dass der Wirtschaftsstandort Berlin beschädigt wird, dass das Vertrauen zwischen Messegesellschaft und Senatorin nicht mehr herzustellen ist. "Die Entwicklung der letzten Tage hat mich sehr nachdenklich gestimmt", sagte Henkel. "Ich verstehe Verwaltung als Partner der Wirtschaft." Und die Wirtschaft, die ist für die CDU von immenser Bedeutung, nicht nur in Berlin.
"Die personelle Entwicklung in wichtigen wirtschaftlichen Einrichtungen dieser Stadt hat zu dieser Entscheidung geführtv", sagte IHK-Präsident Schweitzer am Sonnabend zu dem Rücktritt. Und: "Die Entscheidung von Frau on Obernitz ist zu akzeptieren." Die Opposition reagierte dagegen mit Häme auf den zweiten Rücktritt eines CDU-Senatsmitglieds innerhalb von rund neun Monaten. "Der Rückzug zeigt, wie instabil die Koalition ist", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Ramona Pop. Und der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer erklärte, der Rücktritt sei "folgerichtig". Schließlich sei die Senatorin bislang nicht durch konzeptionelle Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik in Berlin aufgefallen, so der Linken-Chef.
Am Sonntagabend um 20 Uhr tritt nun das Präsidium der Berliner CDU zusammen, um über den Rücktritt der Senatorin und die Folgen zu beraten. CDU-Chef Henkel sucht schon eine Nachfolgerin- oder einen Nachfolger.