Nur eine kleine Schar entschiedener Gegner des Schlossbau-Projektes hatten sich am Dienstagnachmittag auf der Schlosswiese in Mitte eingefunden, um einer ganz besonderen Darbietung zu lauschen.
Der "Schlossbeschimpfung", einer Lesung im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals.
Ernst Wolf Abée, nach eigener Auskunft "Architekt, Schriftsteller und Vater" und vor allem Autor des Internetblogs "www.archinaut.de" brauchte trotz des überschaubaren Publikums ein Megaphon, um seine drei kurzen Gedichte zu Gehör zu bringen. Zu laut schallte der Baulärm von der benachbarten Großbaustelle, wo gerade die Betonstützen für das Berliner Schloss in den Boden gerammt werden. "Hier wird eine Baustelle eröffnet, überflüssiger als der Flughafen BER, umstrittener als Stuttgart S 21: Das Berliner Schloss mit dem Humboldtforum", versuchte Abée vorbeilaufende Touristen noch zum Zuhören zu bewegen. Man sei sehr besorgt durch den bisherigen Verlauf des Vorhabens und wolle weiteren Schaden für die öffentlichen Haushalte und für die Glaubwürdigkeit des öffentlichen Bauherrn abwenden. Vielleicht lag es jedoch auch an der wenig freundlichen ersten Strophe seines ersten Gedichts, dass die Passanten lieber schnell weitergingen: "Warum hockt Ihr noch auf Euren müden Ärschen. Ihr sitzt im Schloss-Theater und Ihr lacht dazu!"
Der Künstler nahm das mangelnde Publikumsinteresse indes gelassen. Der eigentlich geplante Programmpunkt "Das anwesende Publikum ist eingeladen, seine Meinung zum Wiederaufbau zu äußern", musste zwar entfallen. Die größte Resonanz genießt Abées Gedichtfolge ohnehin in der Internetgemeinschaft. Und dank mitgebrachter Kamera wird das Video der "Schlossbeschimpfung" auf YouTube zu sehen sein.
ij