Bilanz des Tages fällt dennoch überwiegend positiv aus. Störsender beeinträchtigte den Digitalfunk der Beamten im Einsatz
Ob sie denn den gelungenen Einsatz der Polizei in ihre Bewerbung um das Amt des Polizeipräsidenten schreiben werde, wollte ein Journalist bei der Pressekonferenz zur Bilanz des Maifeiertags von Margarete Koppers wissen. "Ich freue mich jetzt erst mal, dass der Einsatz so gelungen war, über alles andere denke ich ab morgen nach", antwortete die Polizeivizepräsidentin. Doch ein Lächeln konnte sie sich nicht verkneifen. Schließlich haben sie und Berlins neuer Innensenator Frank Henkel (CDU) mit dem ersten brenzligen Einsatz der Polizei unter ihrer Ägide eine wichtige Bewährungsprobe bestanden.
Ziel nähergekommen
"Wir haben das Ziel eines friedlichen Feiertags zwar nicht erreicht, aber wir sind ihm näher gekommen", sagte Koppers. Vor allem die Nacht zum 1. Mai habe zu diesem Ergebnis beigetragen. "Wir hatten nie zuvor eine friedlichere Walpurgisnacht", sagte Koppers. Mit sieben verletzten Beamten seien dort in diesem Jahr so wenig Polizisten wie nie verletzt worden, auch habe es nur vier Festnahmen gegeben. Getrübt wurde diese Bilanz erst am Abend des 1. Mai bei der "Revolutionären Demonstration", die schon mit Flaschen- und Steinwürfen in Kreuzberg begann und in Höhe des Jüdischen Museums an der Lindenstraße weiter eskalierte und dann abgebrochen wurde. Die Zahl der verletzten Beamten war dadurch insgesamt höher als vergangenes Jahr. 123 Tatverdächtige wurden laut Polizei insgesamt festgenommen, 34 von ihnen am Mittwoch einem Haftrichter vorgeführt. 124 Polizeibeamte waren verletzt worden. Eine Polizistin lag auch am Mittwoch noch im Krankenhaus.
"Jeder verletzte Beamte ist einer zu viel", sagte Henkel. Auch er sprach aber insgesamt von einem gelungenen Einsatz. "Von einem Erfolg kann ich aber erst sprechen, wenn Walpurgisnacht und 1. Mai komplett friedlich verlaufen." Henkel dankte allen der insgesamt 7108 eingesetzten Polizeibeamten. "Ihre Aufgabe war schwierig, aber sie haben einen sehr guten Job gemacht." Insbesondere die neuen Demonstrationsrouten seien für die Polizei ambitioniert gewesen, die spontan vor dem Wochenende angemeldeten NPD-Kundgebungen mitsamt Gegendemonstrationen hätten eine weitere herausfordernde Lage geschaffen. "Ich danke auch allen Berlinern, dass sie mitgeholfen haben, durch Volksfeststimmung mit politischer Note das schöne Gesicht der Stadt zu zeigen", so Henkel. Das lange Wochenende mit den vielen feiernden Menschen habe "viel Licht gesehen", sei aber "leider nicht ohne Schatten ausgekommen".
Bei der 18-Uhr-Demonstration am 1. Mai sind laut Koppers mit 10.000 Menschen mehr Teilnehmer als je zuvor dabei gewesen. Nur ein kleiner Teil von ihnen sei gewalttätig geworden. Gleich zu Beginn der Demo hätten Vermummte Flaschen und Steine mitgenommen, eine Bankfiliale an der Skalitzer Straße sei attackiert worden, ebenso ein Supermarkt von Kaiser's an der Ritterstraße.
Erstaunlich sei für die Polizei gewesen, dass die Demonstration nicht vor dem Springer-Verlagshaus eskaliert sei, sondern südlich davon in Höhe des Jüdischen Museums. "Wir waren erst überrascht, dass es weitergeht", sagte Koppers. Vor dem Museum dann kam es zu Attacken auf Polizisten und ein Wartehäuschen der Polizei, einige Demonstranten versuchten Barrikaden zu errichten. Es kam zu Festnahmen und dem Einsatz von Pfefferspray. "Wir hätten die Demo weitergeführt, wenn der Veranstalter uns zugesichert hätte, dafür zu sorgen, dass von der Gewalt abgelassen wird", sagte Koppers. Gezielte Attacken auf das Jüdische Museum habe es aber nicht gegeben. Eine Sprecherin des Museums sagte, es gebe keine Schäden am Gebäude, die Ausschreitungen dort hätten kein größeres Problem dargestellt.
Vor Abbruch der Demonstration haben militante Extremisten nach Informationen dieser Zeitung der Polizei durch den Einsatz eines Störsenders zugesetzt. Es soll zum Teil über mehrere Stunden lang zwischen 16.30 und 20.30 Uhr Beeinträchtigungen des digitalen Funksystems gegeben haben. "Auch nach Mitternacht gab es noch eine temporäre Störung", berichtete ein Beamter. Ersten Erkenntnissen nach soll der Störsender von einem Gebäude in Kreuzberg aus eingesetzt worden sein, der genaue Ort sowie die Täter konnten noch nicht ermittelt werden. Ein ranghoher Polizeiführer bestätigte den Zwischenfall: "Es ist aber nicht das erste Mal, dass unsere Arbeit auf diese Art gestört wird, auch in den vergangene Jahren hatten wir es mit Störsendern zu tun."
Hoffnung auf friedlichen 1. Mai
Sie hege die Hoffnung, irgendwann einen friedlichen 1. Mai in Berlin zu erleben, sagte Koppers schließlich. Auch die Innenexperten der Parteien im Abgeordnetenhaus lobten den überwiegend friedlichen Feiertag. Franz Schulz, Grünen-Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, empfand das Myfest mit seinen 36.000 Besuchern im Vergleich zu den Vorjahren als eines der friedlichsten. "Es gab kritische Situationen bei der Demo, das darf man nicht schönreden", sagte Schulz, "aber es gab nicht so eine verfestigte aggressive Atmosphäre in der Nacht." Das Myfest sei ein Multikulti-Fest geworden, das Flaschen- und Dosenverbot sowie der gedrosselte Alkoholausschank zeigten ebenfalls ihre Wirkung. "Man sollte diesen weitgehend friedlichen Verlauf analysieren und prüfen, ob wir immer noch so viel Polizeikräfte brauchen oder ob man da Steuergeld sparen kann." Nicht bei der Begleitung der Demonstration, sondern bei der Reserve, die für den Ernstfall vorgehalten werde, könne man möglicherweise künftig auf Kräfte verzichten, so Schulz. Diesem Vorstoß erteilte Koppers am Mittwoch jedoch eine Absage. Der 1. Mai sei gerade wegen der massiven Polizeipräsenz so friedlich verlaufen. "Und alle Beamten waren auch im Einsatz", sagte Koppers.