Ratlos in Mitte

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Isabell Jürgens

Die CDU will das Quartier um das Rote Rathaus herum dicht bebauen - die SPD blockt ab

Zwischen den Koalitionspartnern im Berliner Senat zeichnet sich ein Konflikt um die Gestaltung der historischen Mitte ab. Die CDU will die noch namenlose, rund 14 Hektar große Freifläche zwischen Alexanderplatz und Schloßplatz, zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche nach dem Vorbild des historischen Quartiers neu bebauen. Das jedoch hat die von der SPD berufene Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bislang verhindert.

"Die CDU will konsequent darauf hinarbeiten, dass endlich eine verbindliche planerische Rahmenplanung für dieses Herzstück der historischen Mitte geschaffen wird", sagt Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die seit Jahren währende Debatte um den Umgang mit der "besten Stadtbrache in Berlins alter Mitte" müsse endlich entschieden werden. Evers macht keinen Hehl daraus, wie sich seine Partei diese Mitte vorstellt. "Beide Seiten der Spandauer Straße müssen bebaut werden", so die Forderung. Auch die riesige Grünfläche, in deren Mitte bis zu Beginn der Bauarbeiten für die Verlängerung der U-Bahnlinie U5 das Marx-Engels-Denkmal stand, müsse in die Überlegungen einbezogen werden.

Auf Grundlage des historischen Straßenrasters könne sich statt der heutigen tristen Atmosphäre dann ein lebendiger und urbaner Stadtraum entwickeln. Die beiden sozialistischen Vordenker hätten dann zwar keine Zukunft mehr auf ihrem angestammten Platz. Auf einem der neu entstehenden Stadtplätze gäbe es "aber sicher einen geeigneten Standort", so Evers.

Von einem Streit mit dem Koalitionspartner SPD möchte Evers jedoch nicht sprechen. "Die Gestaltung von Berlins Mitte ist keine Frage, die von Rot oder Schwarz entschieden werden sollte", sagt Evers. Vielmehr sei die Bevölkerung aufgerufen, sich am Planungsprozess zu beteiligen. Damit dieser jedoch nicht eine weitere Legislaturperiode ergebnislos andauere, sollten noch in diesem Jahr die Leitlinien und inhaltlichen Vorgaben des Wettbewerbs bestimmt werden. Ziel der CDU sei eine verbindliche Bauleitplanung, nach der ein Quartier entstehen könne, das den Alexanderplatz, das Umfeld des Roten Rathauses und den Schloßplatz miteinander verbinde. In der Verwaltung von Bausenator Michael Müller (SPD) verweist man indes auf den Koalitionsvertrag, den es einzuhalten gelte, so Müllers Sprecherin Daniela Augenstein.

In dem Vertrag heißt es unter dem Titel "Innenstadtentwicklung" jedoch wenig konkret, SPD und CDU wollten für die nunmehr "Rathausforum" genannte Freifläche "die richtige Balance zwischen der Sensibilität für die historische Gestalt der Berliner Altstadt, einer möglichen baulichen Entwicklung und der Bewahrung beziehungsweise Qualifizierung grün geprägter städtischer Freiräume" herbeiführen. Auf dieser Grundlage solle, so die Autoren des Papiers, ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt werden.

Unklarer Koalitionsvertrag

Die schwammige Formulierung im Koalitionsvertrag ist nicht nur den Befindlichkeiten des Koalitionspartners CDU geschuldet. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass es auch innerhalb der SPD sehr unterschiedliche Positionen zum Umgang mit der einstigen DDR-Staatsmitte gibt.

Während die einen für den Erhalt der DDR-Nachkriegsmoderne mit ihren großen Freiplätzen rund um den Sockel des Fernsehturms bis hin zur Spree plädieren, haben sich Kulturstaatssekretär André Schmitz und auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) wiederholt für die Bebauung ausgesprochen. "Bislang haben wir den Berlinern nichts anderes geboten als unsere Ratlosigkeit im Umgang mit der historischen Mitte", sagt Evers. "Wir brauchen aber ein klares Bekenntnis zur Gestaltung der Mitte."

Bei dem Treffen der Koalitionsrunde am 16. Mai werde deshalb die inhaltliche Debatte um die Zukunft des Areals auf der Tagesordnung stehen.

Immerhin soll jetzt ein weiterer wichtiger "Freiraum" in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathausforum in Form gebracht werden. Am kommenden Montag um 18 Uhr erläutert Senatsbaudirektorin Regula Lüscher auf einer Informationsveranstaltung in der Parochialkirche (Klosterstraße 67, Mitte) die Ziele des Wettbewerbs für das Areal rund um das Humboldt-Forum auf dem Schloßplatz. Bereits im Voraus hatte Lüscher betont, dass die Vorgaben zum Wettbewerb ausdrücklich keine historische Rekonstruktion vorsehen. Sie erwarte, dass der Freiraum zwischen den beiden Spreekanälen, der Karl-Liebknecht- und der Schloßstraße zeitgenössisch gestaltet werden.

Auch machte die Senatsbaudirektorin klar, dass unter ihrer Ägide der Neptunbrunnen nicht versetzt werde. Der Brunnen, der einst vor dem Schloss stand, blockiert allerdings an seinem heutigen Standort auf dem Platz vor dem Roten Rathaus die von der CDU gewünschte Bebauung entlang der Spandauer Straße. "Wir sehen mit großer Sorge, dass die Senatsbaudirektorin dort ihre Vorstellungen durchdrückt", so Evers. Dabei sei die Chance einer historischen Gestaltung mit der CDU verabredet. "Wir werden sehr genau verfolgen, was Frau Lüscher dort plant", kündigt Evers an. Ende 2012 sollen die Wettbewerbs-Ergebnisse vorliegen.