Im Anschluss an ein Spitzengespräch mit den Verantwortlichen von Charité, Universitäten und MDC sprach die Bildungsministerin erstmals auch über den Zeitplan des Prestigeprojekts: Am 1. Januar 2014 könnte die Fusion erfolgt und die zwei Institutionen zu einem "Institut von Weltrang", wie Schavan sagte, verschmolzen sein.
Der politische Wille, das prestigeträchtige Projekt möglichst schnell auf den Weg zu bringen, ist unübersehbar. Allein: Es sind noch viele Fragen offen. Vor allem solche, die die Finanzierung betreffen. Wer stemmt das Großprojekt, welchen Teil übernimmt der Bund, wie viel zahlt die Hauptstadt Berlin? Konfrontiert mit der Befürchtung von Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), dass die Stadt finanziell schlecht wegkommen könnte, wenn der Bund die Mittel nicht aufstockt, herrschte zunächst Schweigen. "Es geht nicht darum, über Finanzströme zu verhandeln", sagte Schavan daraufhin. Finanzsenator Nußbaum selbst wollte sich am Dienstag nicht noch einmal zu seiner Kritik äußern.
Lob hingegen bekam die Bundesministerin aus dem rot-schwarzen Senat von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die "das konstruktive Gespräch mit der Bundesministerin" hervorhob. Scheeres sprach von einer "Förderung der exzellenten Forschung in Deutschland", die "Pilotcharakter" habe.
Eben darum ginge es auch ihr, betonte Bundesforschungsministerin Schavan: "Um den Mehrwert für die Wissenschaft, nicht um den Austausch von Finanzquellen". Im Mittelpunkt stehe die "wissenschaftsgetriebene Entwicklung, nicht eine politikgetriebene". Während die Finanzierung weiterhin offen bleibt, hat die Ministerin den Weg zum "Berlin Institute of Health" abgesteckt. "Es wird zwei Etappen geben. Die erste schafft den Kooperationsrahmen für gemeinschaftliche Forschungsarbeiten."
Ab Januar 2014 womöglich Fusion
Am 1. Januar 2013 bereits soll diese Phase starten, "in der die Partner über die bisherigen Möglichkeiten hinaus" zusammenarbeiten. Damit möchte Schavan festlegen, wie die gemeinsame Spitzenforschung ab 2013 verstärkt werden könne.
Am Ende von Phase 2 hingegen steht das neue Institut für Gesundheit und Medizin. Bestenfalls, so Schavan, ab 1. Januar 2014 dann soll die "strukturelle Weiterentwicklung zum 'Berlin Institute of Health'" vollzogen werden. In dieser zweiten Phase, so Schavan, sollte über das genaue Format der Einrichtung verhandelt werden. Dazu zählt auch die finanzielle Entwicklung der kommenden Jahre.
Mithilfe des neuen Instituts sollen die Stärken der Charité und des MDC gekoppelt werden. Forscher des Max-Delbrück-Centrums, das mit seinem molekularen und systembiologischen Ansatz auf die medizinische Grundlagenforschung spezialisiert ist, sollen ihre theoretischen Erkenntnisse schneller in die Praxis umsetzten können, nämlich an den 3000 Krankenbetten des Universitätsklinikums. Karl Max Einhäupl und Walter Rosenthal, die Chefs von Charité und MDC, wollen ihre zwei Häuser zusammenführen, um so die neu entwickelten Verfahren der Diagnostik auf den einzelnen Patienten zuzuschneiden und so weiterzuentwickeln.
"Mit dem Projekt haben wir die große Chance, eine Einrichtung von Weltrang zu schaffen, die sowohl der Spitzenforschung als auch der Nachwuchsförderung dient", betonte Annette Schavan. Ihr sei es wichtig, dass die Forschung im Kontext der Universitäten betrieben würde - und nicht wie in anderen Ländern nebenher.
Immerhin scheint die Weiterfinanzierung - unabhängig von der Höhe der Finanzmittel - auch in Zukunft gesichert: "Auch nach Auslaufen der Exzellenzinitiative steuert der Bund zusätzlich Mittel bei, um diese zur Verfügung zu stellen." Mit der sogenannten Exzellenzinitiative - im Grunde ein Wettbewerb der Hochschulen um Förderprojekte - wird derzeit Spitzenforschung an Universitäten unterstützt. Nach Informationen der Berliner Morgenpost ist bisher geplant, dass der Bund über die Helmholtz-Gemeinschaft pro Jahr 85 Millionen Euro in die Institution fließen lässt. Jedoch: Nach der Berechnung von Finanzsenator Ulrich Nußbaum stammen 45 Millionen dieser Summe sowieso aus den Mitteln, die im Zuge der Exzellenzinitiative bis 2017 an die Universitäten fließen.
Das Grundgesetz ist eine Hürde
Das Projekt ist in Deutschland bislang einmalig. Mit dem "Berlin Institute of Health" betritt die Bundesforschungsministerin politisches Neuland. Denn eine solche Fusion zwischen einer Landeseinrichtung, der Charité, und einer wesentlich vom Bund finanzierten Institution, dem Max-Delbrück-Centrum (MDC), hat es vorher in Deutschland nicht gegeben. Der Zusammenschluss steht derweil vor massiven juristischen Hürden. Eine davon ist das Grundgesetz. Denn mit der im Jahr 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform ist darin verankert, dass sich der Bund nicht in Angelegenheiten der Hochschulen und Universitäten einmischen darf, da diese unter der Hoheit der einzelnen Bundesländer stehen.
Auch wie diese Hürde, das Kooperationsverbot von Bund und Ländern, konkret überwunden werden kann, sagte Annette Schavan nicht. Wohl bis Mai sollte ein Vorschlag für eine Rechtskonstruktion vorliegen. Die MDC wünscht sich eine GmbH, die es wohl aber nicht geben wird. Wahrscheinlicher ist eine verschachtelte Struktur von Ober- und Untergesellschaften, von denen die Rede ist.
Trotzdem sei das Projekt keine Blaupause für die Zeit nach der Exzellenzinitiative. Bereits im Frühjahr hatte Schavan in einem Morgenpost-Interview unter dem Schlagwort "Bundesuniversität" darüber gesprochen, dass exzellente Forschungseinrichtungen und Universitäten nach dem Jahr 2017 vom Bund übernommen werden könnten. Zumindest das ließ sich die Bundesforschungsministerin entlocken: "Was jetzt kommt, das wird die Zeit von mehr Kooperationen sein."
Annette Schavan trifft sich in der zweiten Junihälfte mit den Verantwortlichen zu einer Abschlussrunde. Sie will noch konkrete Entwürfe für die erste Phase festlegen, bevor es für die Entscheidungsträger in die Sommerpause geht.