Berliner Frauenpreis 2012

Von Frau für Frau

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Britta Klar

Es gibt Menschen, die gewinnen ihr Gegenüber sofort. Da ist es zwecklos, sich der aufkommenden Sympathie zu erwehren. Erster Gedanke: Toll. Zweiter Gedanke - eigentlich auch: toll. Sharon Adler ist so jemand. Eine Gewinnerin. Von dem Moment an, als sie die Tür zu ihrer Wohnung in Kreuzberg öffnet und die Besucherin begrüßt, hat sie diese schon für sich eingenommen. Und was denkt die Besucherin? Genau: Toll.

Sharon Adler ist Chefredakteurin und Gründerin des Onlinemagazins "Aviva" (" aviva-berlin.de "). Am 1. Februar feierte es seinen zwölften Geburtstag - das ist für die virtuelle Welt ein geradezu biblisches Alter. Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, wird Sharon Adler für ihr frauenpolitisches Engagement ausgezeichnet. Sie erhält in einem Festakt im Großen Saal des Roten Rathauses den Berliner Frauenpreis 2012. Als sie das erfuhr, als der Anruf aus der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen kam, da dachte sie: Toll! Ihre Freude darüber konnte sie dennoch nicht gleich zeigen. Das erste, was sie sagte, war: "Können Sie mich gleich noch mal zurückrufen, bitte?"

Stellvertretend für alle annehmen

Sharon Adler lacht, wenn sie an diesen Moment denkt. Sie sitzt an ihrem rot lackierten Küchentisch, trinkt einen Kaffee und dreht sich eine Zigarette. "Ich wusste gar nicht, was ich dazu sagen sollte. Jetzt bin ich total stolz, dass sich 'Aviva' so sehr etabliert hat, dass ich einen Preis bekomme", sagt die 49-Jährige. Ihr ist wichtig, zu betonen, dass sie den Preis "stellvertretend für uns alle" entgegen nehme. "Uns alle", damit meint sie ihre Mitarbeiterinnen. Rund 30 an der Zahl, davon "25 freie und ein paar ehrenamtliche Mitarbeiterinnen", die fast alle von zu Hause aus arbeiten. Die Themen sind breit gefächert. Kultur, Politik, Judentum, Veranstaltungstipps für Berlin, Buchrezensionen, Informationen für Mütter und Nichtmütter. "Eigentlich alles, außer Diättipps", sagt Sharon Adler. "Wie nehme ich in fünf Minuten zehn Kilo ab? Und so was wie: 'Wie finde ich eine/n Partner/in, die/der zu mir passt'." Unter den Leserinnen seien Unternehmerinnen ebenso wie Künstlerinnen. "Auf jeden Fall Frauen unterschiedlichster Generationen", sagt Sharon Adler.

Sie gründete " aviva-berlin.de " im Alleingang, schrieb einen Businessplan - und bekam daraufhin 30 000 Mark von der Investitionsbank Berlin. Das war ein spezielles Darlehen für Gründer im Bereich Neue Medien. Ein Wagnis. Das sich gelohnt hat.

Die Erfolgsstatistik von "Aviva" (das hebräische Wort für "Frühling") spricht für die Arbeit der Redaktion und den Mut der Gründerin: 121 543 Klicks pro Woche zählt die Internetseite. Im Newsletter-Verteiler, der einmal im Monat verschickt wird, sind etwa 3000 Abonnentinnen. Die Seite von "Aviva" wird täglich aktualisiert. "Die Leserinnen kommen hauptsächlich - zu 85 bis 90 Prozent - aus Berlin, aber auch aus dem Bundesgebiet sowie aus dem deutschsprachigen Raum, Israel und den USA", sagt Sharon Adler. Sie ist Jüdin - ihre Urgroßmutter und Großmutter haben den Holocaust überlebt.

Sharon Adler wollte aber nie ein rein jüdisches Magazin schaffen. Judentum sollte ein Teil davon sein, ein wichtiger. So, wie es ein Teil ihres Lebens ist. "Ich möchte mit ,Aviva' das aktuelle jüdische Leben in Berlin darstellen", sagt Sharon Adler. "Oftmals wird Judentum nur mit dem Holocaust in Verbindung gebracht. Und das Klischeebild über den Juden gibt es auch noch viel zu oft", sagt Sharon Adler. "Aber wir sind nicht alle reich wie Rothschild und dazu noch Dichter, Denker oder Mathematiker."

Ein anderer wichtiger Teil von Sharon Adlers Leben ist die Fotografie. Auch darauf mag die alleinerziehende Mutter einer 16-jährigen Tochter nicht verzichten. Im Jahr 2006 veröffentlichte die ausgebildete Fotografin den Bildband "Damenwahl. Frauen und ihre Autos." Für das Thema begeistert sie sich noch heute. "Es werden eben immer noch viel zu häufig, auch und vor allem in der Werbung, Frauenautos gezeigt, mit denen ausschließlich Schuhkartons oder Kinder transportiert werden", sagt Sharon Adler. Dabei bedeute ein Auto für viele Frauen vor allem Freiheit und Selbstständigkeit. Es sei auch für sie ein Statussymbol. Warum auch nicht? Sharon Adler ist Feministin - aber dabei unglaublich entspannt. Verbissenheit, die damit oftmals einhergeht, fehlt bei ihr.

Charakteristisch für sie scheint die ständige Suche nach neuen Ideen zu sein. Anregungen aufschnappen, sie weiterdenken und dann nutzen. Einen großen Traum hat sie auch noch: "Etwas Crossmediales wäre toll. Von Print träume ich schon lange, vielleicht auch ein kleiner TV-Sender, so was", sagt Sharon Adler und ihre Augen strahlen. Sie dreht sich noch eine Zigarette. Ständig klingelt ihr Telefon. Sie macht das Küchenfenster auf, schließt es wieder - ob der Rauch eigentlich störe?! Das klingt hektisch - ist es aber überhaupt nicht. Sharon Adler zeigt sich quirlig und in sich ruhend zugleich. Eine gute Kombination. Für eine Chefin allemal - doch auch für eine Mutter? Was eigentlich Tochter Mara zur Arbeit ihrer Mutter sagt? "Meine Tochter findet es gut, was ich mache. Natürlich ist es für mich nicht immer einfach, 'alles unter einen Hut zu bekommen'. Aber sie ist stolz auf mich. Und ich auf sie!"

Vorschlag kam von einer Freundin

Und was sagen die Mitarbeiterinnen über ihre Chefin? "Oh je. Ich denke, sie würden sagen, dass es Spaß macht, mit mir zusammen zu arbeiten. Und dass ich detailversessen bin, sorgfältig, schnell, dass ich immer neue Ideen umsetzen will, aber trotzdem genug Raum lasse für ihre eigenen", sagt die Unternehmensgründerin.

Für den Frauenpreis vorgeschlagen wurde Sharon Adler von einer guten Freundin, Schauspielerin und Sängerin Mo Asumang. In ihrem Schreiben an die Senatsverwaltung schwärmte sie von Sharon und machte sich stark für sie: "Sharon Adler setzt sich mit ihrer Arbeit seit mittlerweile mehr als zwölf Jahren unermüdlich und an beinahe 365 Tagen für Emanzipation und gegen Sexismus, Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung aller Art und für universelle Menschenrechte ein. 'Aviva-Berlin' wurde von ihr allein am Küchentisch gegründet, allein aus ihrer Vision heraus, ein Online-Frauenmagazin zu etablieren, das es in dieser Form nicht gab und auch heute noch einzigartig ist", schrieb Asumang. Es scheint, als gäbe es noch einige mehr, die über Sharon Adler denken: Toll.