Berliner Morgenpost: Herr Czaja, was unterscheidet eine CDU-geführte Sozialverwaltung von einer Behörde, die zehn Jahre lang von der Linkspartei geleitet wurde?
Mario Czaja: Wir setzen stärker auf Hilfe zur Selbsthilfe. Bloße Alimentierung hilft den Menschen nicht, dauerhaft aus schwierigen Lebenslagen herauszukommen. Außerdem wollen wir die Kontrollmöglichkeiten im Sozialbereich verbessern und professionelle Prüfungen durchführen. Hier gibt es mit Blick auf die Vergangenheit doch erhebliche Reserven.
Berliner Morgenpost: Was ändert sich also?
Mario Czaja: Uns war es wichtig, die Bereiche Gesundheit und Soziales wieder zusammenzuführen. Jetzt sind die Abteilungen und die Hausleitung wieder an einem Dienstsitz vereint. Dies wird hier im Haus sehr positiv aufgenommen. Diese neue Struktur wird auch dazu beitragen, den Bereich Pflege zu stärken. Dies ist mir ein wichtiges Anliegen. Das betrifft die Qualität in der Pflege, aber auch die Aufwertung des Pflegeberufs. Ich möchte sicherstellen, dass bei den Beschäftigten in der Pflege Mindeststandards eingeführt werden. Die Anlaufstellen für Beschwerden im Bereich der Pflege wollen wir ausbauen.
Berliner Morgenpost: Wie wollen Sie die Sozialausgaben stärker kontrollieren?
Mario Czaja: Aus den Erfahrungen mit der Treberhilfe wurde hier viel gelernt. Von Berlin aus ist eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht worden. Das Ziel ist, die Gesetzgebung so zu ändern, dass wir nicht mehr nur im Konsens mit den sozialen Trägern Leistungen und Träger überprüfen können, sondern dass auch spontan und ohne vorherige Ankündigung Überprüfungen der Leistungserbringer durch die Sozialbehörden möglich sind. Ich gehe davon aus, dass die angestrebte Gesetzesänderung auch im Bundestag umgesetzt wird, denn die Initiative wird von allen Bundesländern mitgetragen. Bei den sozialen Trägern handelt es sich oft um gut strukturierte, gemeinnützige, aber auch gewinnorientierte Unternehmen. Wir brauchen mehr Transparenz bei der Finanzierung und bessere Kontrollmöglichkeiten bei den sozialen Dienstleistungen.
Berliner Morgenpost: Bislang bestand zwischen Trägern und Verwaltung oft eine stillschweigende Übereinkunft, möglichst kein Geld einzusparen, weil dafür wenige Anreize bestehen. Kommt man aus dieser Situation heraus?
Mario Czaja: Für mich ist wichtig, dass der Großteil der Mittel bei den Menschen ankommt und die Verwaltungskosten gering gehalten werden. Hier muss noch mehr Effizienz geschaffen werden. Grundsätzlich gilt: Es muss möglich sein, künftig unangemeldet zu prüfen. Dafür müssen wir die nötigen Mittel in den Haushalt einstellen. Die Erfahrungen aus den Bezirksämtern zeigen, dass das so eingesetzte Personal häufig mehr Geld einbringt, als es selbst kostet.
Berliner Morgenpost: Die Gewerkschaft Ver.di sagt, man könne in jedem Sozialunternehmen zehn Prozent streichen und es würde niemand merken.
Mario Czaja: Ich bin gespannt, wie sich Ver.di verhält, wenn wir aus dem Abstrakten etwas Greifbares machen wollen. Sicher, es gibt an unterschiedlichen Stellen Einsparmöglichkeiten, speziell in den administrativen Bereichen. Manche Unternehmen haben gute Rücklagen gebildet, andere haben diesen Überschuss für soziale Projekte eingesetzt, für die sie keine Förderung erhalten haben. Dies werde ich mir im Detail ansehen.
Berliner Morgenpost: Der alte rot-rote Senat wollte die Sätze der Kosten der Unterkunft für Arbeitslose anpassen. Jeder dritte Hartz-IV-Empfänger wohnt laut Statistik bisher in einer zu teuren Wohnung. Werden Sie diesen Plan weiterverfolgen?
Mario Czaja: Ich glaube, man kommt vor dem Hintergrund der steigenden Mieten in Berlin und vor allem bei den immer weiter steigenden Betriebskosten nicht umhin, in einigen Bereichen über höhere Hilfeleistungen nachzudenken.
Berliner Morgenpost: Was heißt "in einigen Bereichen"?
Mario Czaja: Wir müssen stärker die unterschiedlichen Wohngegenden und damit die unterschiedlichen Kosten in Betracht ziehen. SPD und CDU wissen um die große Verantwortung, die mit der Entscheidung darüber verbunden ist. Immerhin erhalten 20 Prozent der Berlinerinnen und Berliner Kosten für ihre Unterkunft erstattet.
Berliner Morgenpost: Halten Sie es denn für realistisch, dass für Hilfeempfänger in allen Stadtgebieten Wohnungen bereitstehen, wie Ihre Vorgängerin gefordert hat?
Mario Czaja: Die Koalition möchte, dass allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird und keiner ins Bodenlose abrutscht. Auch wollen wir nicht, dass Wohngegenden sozial entmischt werden. Wir werden mit Augenmaß vorgehen, aber sicherlich keine Luxuslösungen finanzieren. Es sollte möglich sein, dass Hilfeempfänger auch künftig in allen Berliner Bezirken wohnen können.
Berliner Morgenpost: Bei der Gesundheit stehen die Charité und Vivantes im Vordergrund. Wie stellen Sie sich die Zukunft beider Unternehmen vor?
Mario Czaja: Die Gründung eines gemeinsamen Labors Anfang 2011 ist ein Beispiel dafür, welch erhebliches Potenzial in einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den beiden großen Krankenhausunternehmen steckt. Alle Beteiligten müssen sich auf eine gemeinsame Strategie verständigen. Die Zuständigkeit liegt nicht allein in meinem Haus. Daher wird es im neuen Senat eine sehr enge Abstimmung zwischen den Senatsverwaltungen geben. Einig sind wir uns darin, dass bei der Charité der Fokus klar auf Forschung und Lehre und bei Vivantes auf der Krankenversorgung liegt.
Berliner Morgenpost: Soll die Zusammenarbeit ausgeweitet werden?
Mario Czaja: Ich sehe durchaus Möglichkeiten und Synergieeffekte, beispielsweise bei der Zentralsterilabteilung und im Küchenbereich. Ob die Küche der Charité tatsächlich saniert werden sollte oder ob die Essenszubereitung für die Patientinnen und Patienten nicht von anderen Dienstleistern übernommen werden kann, muss man prüfen. Ähnliche Fragen stellen sich auch im Südwesten der Stadt zwischen dem Universitätsklinikum Benjamin Franklin, dem Auguste-Viktoria- und dem Wenckebach-Krankenhaus. Hier sollte das Leistungsangebot besser aufeinander abgestimmt werden.
Berliner Morgenpost: Steht am Ende eine Fusion?
Mario Czaja: Nein. Der Kernauftrag der Charité bleibt Forschung und Lehre. Vivantes hat seinen Schwerpunkt bei der Krankenversorgung. Die erfolgreiche Entwicklung beider Unternehmen würde es nicht fördern, wenn wir jetzt in Richtung Fusion denken.
Berliner Morgenpost: Aber bei der Sanierung des Bettenhauses bleibt es, oder wollen Sie noch einmal über einen Neubau nachdenken?
Mario Czaja: Die Entscheidung darüber liegt bei der Charité und beim Aufsichtsrat, also bei der Senatorin für Wissenschaft und dem Finanzsenator. Der Vorstand der Charité hat den Auftrag, im Aufsichtsrat die Details der Sanierungsplanung vorzulegen. Ich habe schon als Abgeordneter gesagt, dass ich äußerst skeptisch bin, wie eine Sanierung des Bettenhochhauses bei laufendem Betrieb möglich sein soll. Zumal, wenn dabei die geplanten Kosten eingehalten und während des Umbaus eine hohe Zahl von Patienten behandelt werden soll, so wie es die Geschäftsführung vorsieht. Dieser Meinung bin ich heute noch.