Der Bezirk Neukölln prüft seit 2010 erstmals in großem Umfang, ob Pflegedienste die berechneten Leistungen auch wirklich erbringen. Mehrere Monate wurden laut Büge Akten überprüft. "Bei allen vier Pflegediensten, die wir uns vorgenommen haben, traten Unregelmäßigkeiten auf", sagt er. Der Sozialdezernent geht davon aus, dass es sich um ein berlinweites Problem handelt.
"Der Betrug sah so aus, dass eine höhere Pflegestufe angegeben wurde", so Büge. "Da war die Alzheimerpatientin plötzlich inkontinent, der Demenzkranke brauchte einen Rollstuhl, aber nur auf dem Papier", sagt Büge. Das Bezirksamt hat zahlreiche Beweise gesammelt, unter anderem wurden Dienstpläne verglichen, Angehörige und Pflegebedürftige befragt.
Gegen den Berliner Pflegedienstanbieter G., der auch in anderen Bezirken tätig ist, wird nun ermittelt. Das Rechtsamt stellte Strafanzeige. Das Unternehmen hat den Fall an die Rechtsanwälte Steffen Lehmann und Jenny Werner-Buhl übergeben. Sie waren am späten Abend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Laut Büge und Kollegen, die mit Angehörigen und ehemaligen Mitarbeitern sprachen, soll es Einschüchterungsversuche gegenüber Mitwissern gegeben haben. Unter anderem soll Gewalt angedroht worden sein. "Wir gehen davon aus, dass das berlinweit ein Problem ist", sagt Büge. Er vermutet, dass pro Pflegebedürftigten 700 Euro Kosten anfallen, die aber gar nicht geleistet werden. "Wenn ich das hochrechne, ist das ein Verlust von fünf Millionen Euro pro Jahr in Berlin", sagt er. Auch andere Bezirke wollten nun intensiv prüfen. In Berlin gibt es derzeit 15 000 Pflegebedürftige und rund 500 Anbieter. In der Vergangenheit berichteten auch immer wieder Krankenkassen von offenbar unseriösen Abrechnungen nicht nur bei Krankenhäusern, sondern auch bei Pflegediensten.
Seit einigen Jahren sind für solche Fälle Missbrauchsbekämpfungsstellen eingerichtet worden, die in enger Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherten (MDK) Verdachtsfällen nachgehen.