Der Etat wurde nach Bezirksangaben um ein Viertel von 40 000 auf 30 000 Euro gekürzt. Im kommenden Jahr soll es sogar nur noch rund die Hälfte geben. "Nach unseren Berechnungen müssen wir schon 2011 mit 26 000 Euro auskommen", sagt Orchesterleiter Jobst Liebrecht.
Liebrecht steht in der Streichliste an erster Stelle. Seine bezahlte Arbeitszeit als Dirigent - inklusive des Nachwuchsorchesters der Musikschule - ist ab 1. April von bisher 14 Stunden wöchentlich auf acht Stunden gekürzt worden. "Mir wurde klar gemacht, dass ich künftig die gleiche Arbeit für etwa 400 statt bisher 880 Euro machen muss oder eben die Musikschule zu verlassen habe", sagt Liebrecht. Der 46-jährige Dirigent leitet beide Orchester seit 2005. Er kritisiert weitere Einschnitte: Reduzierung der Honorarmittel der Lehrkräfte für die Proben um die Hälfte oder für die Orchesterorganisation. Für Noten-Kopieren und für das Notenarchiv soll statt vier Stunden pro Woche nur noch eine Stunde bezahlt werden.
"Mit diesen massiven Kürzungen wäre die Existenz des Sinfonieorchesters faktisch beendet", sagt Liebrecht. Auch die etwa 40 Mitglieder schlagen Alarm: "Eine so außergewöhnliche kulturelle Institution darf nicht dermaßen beschnitten und zurückgestuft werden" heißt es in einer Protesterklärung. Sie wollen mit "Bettelkonzerten" auf den Straßen Berlins Unterschriften gegen die Kürzungen sammeln. Geigerin Christina Dietrich (23) sagt: "Nirgendwo sonst kann man so viele experimentelle Musikstücke einüben."
Die Berliner Philharmoniker erklärten sich solidarisch. Intendant Martin Hoffmann schrieb an Kulturstadtrat Stephan Richter (SPD): "Das Jugendsinfonieorchester Marzahn-Hellersdorf ist eines der wertvollsten Aushängeschilder Berlins für erfolgreiche musikpädagogische Arbeit." Gerade die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik, die das Orchester auszeichne, müsse gefördert werden. Deshalb werde es erneut als Gast in die Philharmonie eingeladen.
Kulturstadtrat Richter erklärt, dass sich die Leitung des Orchesters von den fachlich-pädagogischen Ansprüchen entfernt habe. Ein Hauptproblem liege in den vielen Veranstaltungen des Orchesters und der Vorbereitungszeit von viereinhalb Wochen pro Konzert. Diese umfangreichen Proben entsprächen der Struktur eines Profiorchesters, so Richter. Für diese Unterrichtsstunden müssten beträchtliche finanzielle Mittel aufgewendet werden. Der Stadtrat kritisiert auch den Einsatz von Profis bei Konzerten. Die "Praktiken des Orchesterleiters", für eine Qualitätssicherung Berufsmusiker oder Lehrkräfte der Musikschule zu verpflichten, seien "ebenfalls sehr kostenintensiv", kritisiert der SPD-Politiker. Er strebt einen "Zustand an, bei dem ein Konzert des Jugendsinfonieorchesters ausschließlich durch Schülerinnen und Schüler der Musikschule gegeben wird". Es müssten Stücke so bearbeitet werden, dass sie auch von den Schülern gespielt werden könnten. Profimusiker würden das Leistungsbild des Orchesters verzerren.
Liebrecht spricht von "realitätsfremden Ansichten", zumal Konzertprojekte zusammen mit den Schülern entwickelt worden seien. Er nennt das neue Orchesterkonzept "unredlich", denn damit gehe man in der Entwicklung des Ensembles zurück. Für die Mitwirkung von Berufsmusikern habe man meist Fördermittel verwendet, so aus dem Hauptstadtkulturfonds oder von der Schering-Stiftung. Er hält dem Stadtrat vor, noch im Januar 40 000 Euro zugesagt zu haben.
Der Stadtrat beruft sich auf "das neue Musikschulkonzept, dem wir Rechnung tragen müssen". Es habe zweifellos Erfolge gebracht, koste aber auch mehr. So hat sich die Schülerzahl der früher mit Abstand kleinsten Berliner Musikschule von 783 im Jahr 2009 auf 2531 im Februar 2011 mehr als verdreifacht. 3400 sind geplant. Das Bezirksamt stockte im vergangenen Jahr den Honoraretat um 70 000 auf 730 000 Euro auf. "Über den gleichen Ansatz für 2011 will das Bezirksamt im Mai entscheiden" sagt Richter. Gleichzeitig werde angesichts der wesentlich höheren Schülerzahl innerhalb der Berliner Musikschulen ein Wertausgleich von 300 000 Euro für Marzahn-Hellersdorf erwartet. "Das Geld ist aber zweckgebunden für den Unterricht", so der Stadtrat.