Medizin

Trotz Herzfehler eine Chance

| Lesedauer: 3 Minuten
Birgit Haas

Maria Herrmann weiß nun, wie es sich anfühlt. Der schlimmste Tag im Leben. Damals, am 14. Oktober, hat sie die Diagnose bekommen, dass ihre ungeborene Tochter mit einem sehr schweren Herzfehler zur Welt kommen wird. Wenn sie überhaupt bis zur Geburt durchhält. Eine 40-prozentige Überlebenschance gaben die Ärzte dem kleinen Leben im Bauch der 23 Jahre alten Schwangeren aus Köpenick.

Es sind nicht viele Kinder, die mit einer Missbildung am Herzen zur Welt kommen. Etwa jede hundertste Schwangerschaft ist betroffen. Dank neuester Diagnosemethoden können diese Fehlbildungen mittlerweile schon in der 21. Schwangerschaftswoche festgestellt werden. Zu dem Zeitpunkt ist das lebenswichtige Organ "nicht größer als eine Erbse", sagt der Charité-Geburtsmediziner Wolfgang Henrich. Maria Herrmann und ihr Ehemann Andreas (28) mussten eine Entscheidung treffen. Wollen sie ihr Kind bekommen? "Ja", befanden sie. Zum Glück für Annalena. Das Mädchen kam vor zwei Tagen zur Welt. 2335 Gramm wiegt sie, 45 Zentimeter ist sie groß.

Hilfe im Virchow-Klinikum

Nach der Entscheidung für das Kind ist das junge Ehepaar ins Virchow-Klinikum der Charité im Wedding gegangen. Dort ist die Zusammenarbeit zwischen der Geburtshilfe, der Anästhesie und dem Herzzentrum, das sich auf demselben Campus befindet, ausgebaut worden, um Menschen wie Maria Herrmann und ihrer Tochter zu helfen. "Wir haben die Sterblichkeit bei angeborenen Herzfehlern heute gut im Griff. Oft werden die Patienten in guter Lebensqualität erwachsen", berichtet Kinderkardiologe Felix Berger.

Für die Familie Herrmann zunächst ein schwacher Trost. "Wir haben in der Zeit versucht, den normalen Alltag weiterzuleben, aber wir standen unter Schock", sagt die Mutter. Besser wurde es erst, als der Geburtstermin näher rückte.

"Sie ist ein zierliches Baby", meint Andreas Herrmann, der seiner Frau während des Kaiserschnitts nicht von der Seite wich. Ein Kaiserschnitt wäre nicht notwendig gewesen. "Auch ein herzkrankes Kind kann normal geboren werden", sagt der Arzt Wolfgang Henrich. Aber die Mutter habe es sich so gewünscht. Und trotz allem sieht Annalena sehr rosig aus. Auch wenn sie noch auf der Intensivstation für Neugeborene der Charité liegt - Annalena ist nicht anzusehen, dass ihre rechte Herzkammer viel zu klein ist, die linke Herzklappe nicht funktioniert.

In Berlin kamen 2009 insgesamt 350 Kinder mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt, wie Annalena haben die meisten völlig gesunde Mütter. Dank pränataler Diagnosemöglichkeiten durch Ultraschall bleibt fast kein Fall unentdeckt. "95 Prozent der kindlichen Herzfehler werden in Berlin schon vor der Geburt erkannt", so Henrich. In anderen Regionen Deutschlands liege diese Quote bei nur 20 bis 25 Prozent. Hier könnte meist schon vor der Entbindung die Behandlung genau geplant werden.

Annalena etwa wird in der zweiten Lebenswoche operiert werden, eine zweite OP steht nach etwa drei Monaten an und die letzte im Alter von drei Jahren. Es ist zu 70 bis 90 Prozent sicher, dass sie das übersteht, danach ein gesundes Kind ist, selbst wenn sie dann nur eine große Herzkammer hat. "Mittlerweile erreichen heute über 90 Prozent der Patienten mit angeborenen Herzfehlern das Erwachsenenalter", sagt Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums. Irgendwann wird Annalena sogar selbst Kinder haben können. Die Chancen für Frauen mit angeborenen Herzfehlern auf ein gesundes Baby sind deutlich gestiegen. Noch vor 20 Jahren habe man Frauen mit Herzfehlern generell von einer Schwangerschaft abgeraten.