4100 Gäste, davon 1100 Journalisten, werden heute zur Bundestagswahl erwartet. So viele Menschen passen gar nicht alle in das CDU-Haus, deshalb stehen Ausweichquartiere auf der Straße.
Drinnen schlägt am Sonnabend schon die Stunde der Techniker, der Kameraleute und der Journalisten. Hans-Peter Hagemes, Leiter der Politikredaktion beim TV-Sender N24, stellt sich auf einen schwarzen Klebestreifen und probt schon mal seinen Aufsager. Am Schlimmsten wäre es, wenn Ton und Bild ausfallen würden. Doch das ist noch nie passiert, versichert Hagemes. Auf dem Podium, wo heute Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen wird, steht noch nicht mal ein Sprechpult. Kein Mikro. Nichts. Nur ein großes Plakat mit dem kleinen Schriftzug "Die Mitte". Hagemes hofft, dass er Frau Merkel als Erster vor sein Mikro und die Kamera bekommt, wenn die Wahl entschieden ist. Aber das wollen auch viele andere Journalisten.
Am Sonnabend ist noch kollegiales Miteinander angesagt. Im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg hat das ZDF den Hut auf, wenn es um die wichtigsten Fernsehbilder von SPD-Größen am Wahlsonntag geht. Jörg Bößendörfer, technischer Leiter beim ZDF in Mainz, muss dafür sorgen, dass die Kollegen der anderen Sender perfekte TV-Bilder bekommen, wenn Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering zum ersten Mal zu den Sprechpulten schreiten. Die anderen Sender zapfen sich diese Bilder beim ZDF ab. Insgesamt zwei Kilometer Kabel mussten verlegt und acht Kameras installiert werden, berichtet Bößendörfer.
600 Meter Kabel
Dieter Ramershofen, technischer Leiter bei den Übertragungswagen der ARD, ist mit zehn Kollegen vor Ort. Am Wahlsonntag arbeiten allein im Willy-Brandt-Haus 25 Mitarbeiter der ARD. Um 17.30 Uhr wird schon mal ein bisschen Wahlsonntag simuliert und eine Stunde Wahlberichterstattung geprobt. Nichts wird dem Zufall überlassen. 600 Meter Kabel und vier Kameras sollen für technische Sicherheit sorgen. In der SPD-Zentrale werden Sonntag 2000 bis 2500 Personen erwartet, die Hälfte sind Journalisten.
Am Reichstag hingegen scheint am Sonnabend von außen alles fast wie immer: Touristen ruhen sich auf der Wiese aus, eine lange Schlange von Wartenden, die das Gebäude besichtigen wollen. Die Kuppel darf am gesamten Wochenende besucht werden, nur Führungen sind nicht zugelassen. Schon seit Tagen laufen die Vorbereitungen für die Wahl. Heute hat der Bundeswahlleiter seine Präsentationsfläche aufgebaut, außerdem halten dort auch unzählige Journalisten die Stellung. Dominik Franz steht im Infomobil des Bundestages, das seit dem 29. August vor dem Reichstag geparkt hat. "Am Sonntag gibt es hier eine große Leinwand zum Public Viewing", sagt Franz, der sonst Broschüren zum Bundestag verteilt, Schulklassen Filme zeigt und Fragen beantwortet. "Ich wähle direkt um kurz nach 8 Uhr. Später muss ich ja arbeiten", sagt er.
Zum Arbeiten ist auch Egbert Bertram hier. Der Kameramann sitzt auf der Bühne auf der Wiese gegenüber dem Reichstag und wartet. "Ab 16 Uhr kommen Fernsehteams aus verschiedenen Ländern. Aus der Schweiz, Österreich, England und Frankreich", sagt er. Dann schaut er zu dem kleinen Fernsehstudio der "Tagesthemen", das in einem Pavillon untergebracht ist. "Im Moment ist es noch relativ ruhig", sagt Bertram, "aber am Wahlnachmittag geht es hier richtig los. Dann werden sich hier wahnsinnig viele Menschen tummeln."
Interaktive Wahlparty
"Betahaus" hat irgendwer mit grünlicher Kreide auf den Gehweg an der Oranienstraße in Kreuzberg gepinselt. Ein unkonventioneller Wegweiser, der am Wahlsonntag all diejenigen leiten soll, die auch Lust auf eine etwas unkonventionellere Party in dem Haus haben, in dem sonst rund 80 Freiberufler aus der Kreativszene zu Hause sind. Gerade ist eine Podiumsdiskussion des Deutschen Akademischen Austauschdienstes zum Thema "Digitaler Wahlkampf" zu Ende gegangen, an der 80 Wahlbeobachter aus 20 verschiedenen Ländern teilgenommen haben. "In den vergangenen Wochen haben hier relativ viele politische Veranstaltungen stattgefunden", sagt Tonia Welter, die zu den insgesamt sechs Betahaus-Gründern gehört. Am Wahlsonntag hoffe man auf 300 bis 400 "politisch interessierte Menschen, die neue Kanäle suchen", sagt Tonia Welter. "Morgen wird hier im Café www.bundesradio.de zu Gast und auf Sendung sein", sagt die 30-Jährige. Interviews seien genauso geplant wie Live-Schaltungen in andere deutsche Städte. "In einem weiteren Bereich wird die Elefantenrunde übertragen. Dazu gibt es auch eine Wand mit Twitter-Einträgen zum aktuellen Stand und die Möglichkeit, sich ein T-Shirt bedrucken zu lassen." Für ein Brunch und Musik soll ab 12 Uhr gesorgt sein - bleibt abzuwarten, wie gut der gestückelte "Election Cake" in den Farben der großen Parteien weggeht.
Auch bei Sven Volkmann gibt es Kuchen. Er hat sich schon länger auf die heutige Wahl vorbereitet. Der 34-Jährige hat zu diesem Anlass seit Wochen eine Party bei sich zu Hause in Moabit geplant. Dafür hat er die großen Parteien angeschrieben und um Informationsmaterial gebeten. Als Antwort bekam er aber nicht nur Broschüren und Flyer, sondern auch Traubenzucker, Bierdeckel, Schlüsselanhänger und Anstecker. "Ich habe jetzt mehr als 70 Kugelschreiber allein von der SPD", sagt er. Gemeinsam werden er und seine Freunde die Berichterstattung im Fernsehen verfolgen. "Die Wahl ist ein toller Anlass für ein Treffen. Außerdem können wir dann über die Ergebnisse diskutieren", sagt der Sozialpädagoge. "Ich finde es wichtig, dass man am politischen Prozess teilnimmt und sich informiert."
Helfer bei der Wahl
Das findet auch Lea Bierotte. Für sie heißt es am Sonntag: früh aufstehen. Von 7 bis 20 Uhr wird sie als Wahlhelferin in einem Seniorenstift in Pankow sein. Via Onlineformular hatte sie sich auf der Internetseite www.berlin.de beworben. "Ich habe schon bei der Europawahl als Wahlhelferin gearbeitet", erzählt die 20-jährige Studentin. "Das macht richtig Spaß. Denn wo man sonst nur den Fernseher einschalten würde, bekommt man alles hautnah mit." Besonders spannend sei die Auszählung am Abend, der Moment, in dem die Wahlzettel auf Haufen gestapelt würden. "Ich kann mir durchaus vorstellen, das noch öfter zu machen."
Etwa 60 Mitarbeiter des Landeswahlleiters sind am Sonntag im Einsatz. Sie nehmen für die Bundestagswahl in Berlin und Brandenburg sowie für die Landtagswahl in Brandenburg die Ergebnisse der Bezirks- und Kreiswahlämter entgegen und verarbeiten sie elektronisch. Sie erstellen Hochrechnungen, die im Internet veröffentlicht werden, versorgen die Medien mit den neuesten Daten und übermitteln das Wahlergebnis schließlich an den Bundeswahlleiter. Für etliche Mitarbeiter endet der Arbeitstag erst am Montagvormittag, denn in der Nacht schreiben sie noch drei Ergebnis- und Analysebroschüren, jeweils etwa 80 Seiten dick, über die Wahlgänge in Berlin und Brandenburg.
Auch am Sonnabend war die Geschäftsstelle des Landeswahlleiters gut besetzt. Im Minutentakt klingelten die Telefone: Meist waren aufgeregte Berliner am Apparat, die ihre Wahlunterlagen verloren haben und nun Rat brauchten. Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás, seine Stellvertreterin Ulrike Rockmann und sein Geschäftsstellenleiter Geert Baasen kümmern sich am Sonntag, wie auch schon in den vergangenen Tagen, außerdem noch um zahlreiche internationale Delegationen. Die wollen sich anschauen, wie in Berlin Wahlen organisiert werden. Die Besuchergruppen kommen zum Beispiel aus Indien, Weißrussland, dem Irak und den USA.
Ich wünsche mir, dass es nicht mehr so viele arme Menschen gibt. Und ich würde es gut finden, wenn nicht mehr so viel Müll rumliegt. Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin sollte es Kindern erlauben, auf die Schule zu gehen, die sie sich aussuchen. Pia Semmerow (10) aus Spandau
Der Mindestlohn muss eingeführt werden, da es schon fast kriminell ist, wenn Arbeitnehmer weniger Geld als die Hartz-IV-Empfänger verdienen. Außerdem soll die NPD verboten werden. Wie kann eine Partei erlaubt sein, die gegen Ausländer hetzt? Maximilian Wittig (11) aus Steglitz-Zehlendorf
Deutschland sollte noch ausländerfreundlicher werden. Gleichzeitig müssten die Ausländer stärker gezwungen werden, Deutsch zu lernen, um sich besser integrieren zu können. Außerdem müssen Kioskbesitzer bestraft werden, die an unter 18-Jährige Alkohol verkaufen. Chandni Schattenfroh (12) aus Steglitz-Zehlendorf
Für mich ist es sehr wichtig, dass der Kanzler oder die Kanzlerin dafür sorgt, dass Deutschland umweltfreundlicher wird, dass zum Beispiel mehr Energie gespart wird und dass die Leute weniger mit dem Auto fahren. Max Bossen (12) aus Charlottenburg
Die Bürger sollen ihre Rechte besser wahrnehmen können und nicht auf Schritt und Tritt kontrolliert werden. Daher wünsche ich mir einen Machtwechsel, vor allem einen anderen Innenminister. Niklas Rotter (16) aus Tempelhof-Schöneberg