Tschüs "Bulette" - Zoo-Liebling ist tot

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Rainer L. Hein und Sylke Heun

Foto: PressefotoPeters

Der Berliner Zoo trägt tiefe Trauer und mit ihm ungezählte Tierfreunde der Stadt, denn am Silvesterabend mußte die wohl bekannteste "Dame" des Tierpark-Unternehmens eingeschläfert werden. Bulette ist tot - das 1952 in Berlin geborene und älteste Flußpferd Europas starb im Alter von 53 Jahren auf der Seniorenstation des Zoos. Tierarzt Dr. Andreas Ochs mußte dem schwergewichtigen Nilpferd wenige Stunden vor dem Jahreswechsel die erlösende Spritze geben. "Es ging nicht mehr. Bulette hätte sich sonst nur noch quälen müssen", heißt es.

Schon vor Monaten hatte sich die Flußpferddame langsam aufs Altenteil zurückgezogen. "Bei uns werden die Tiere bis ins hohe Alter gehätschelt und gepflegt", berichtet Zoo-Kurator Peter Rahn, "wo wir können, bekommen die Alten bei uns ihr Gnadenbrot". So erging es auch Bulette. Allerdings war es für das schwere Tier in letzter Zeit immer mühseliger geworden. Weil es Streit mit den anderen Flußpferden gab, konnte die alte Dame nur noch nachts im Wasserbecken ihre Runden drehen. "Oft konnte sie sich nicht mehr auf den Beinen halten", sagt Peter Rahn. "Die Folge war, daß durch das viele Liegen an Füßen und Beinen eitrige Stellen auftraten, die dem Tier zusetzten und Schmerzen bereiteten." Kurz vor ihrem Tod hatte Bulette noch einmal ihr Lieblingsgericht bekommen: frisches Heu und Rübenschnitzel.

Flußpferd Bulette war eine reinrassige Berlinerin, denn ihr Vater war der zur Legende gewordene "Knautschke". Dieser hatte als einziges Großtier die Bombardierung der Stadt und des Zoos überstanden, was ihm zu einem Symbol für den Durchhaltewillen der Berliner Bevölkerung werden ließ. Den zweijährigen Knautschke hatte man nach einem Bombenangriff auf dem Boden des ausgelaufenen Flußpferdbeckens gefunden. Gerettet wurde der kleine Bulle durch ständiges Übergießen mit Wasser. Knautschke avancierte zum Liebling der Zoobesucher. Fortan ließ er sich es gutgehen - und weil Flußpferde kein Gen gegen Inzucht haben, lief die Sache auch mal aus dem Ruder. So kam es, daß Knautschke zusammen mit Tochter Bulette weitere Kinder zeugte. Die beiden wurden zu Eltern von Nante; Bulette und Nante wiederum bekamen Polly. Übrigens: 1988 wurde Knautschke bei einem Rivalenkampf mit einem seiner Söhne so stark verletzt, daß er eingeschläfert werden mußte - er wurde 46 Jahre alt.

Kuriosum am Rande. Trotz ihres schon hohen Alters mußte Bulette bis noch vor einem halben Jahr die Antibabypille schlucken. Im vergangenen April sah sich die 20fache Mutter plötzlich den Frühlingsgefühlen des Bullen Ede ausgesetzt und zeigte sich durchaus offen für seine Annäherungsversuche. Tierpfleger sprachen damals von einer "überraschenderweise ganz munteren Paarung". Weil die Tierärzte der munteren Bulette eine weitere Schwangerschaft im hohen Flußpferdalter jedoch nicht mehr zumuten wollten, verordneten sie kurzerhand die Pille. Dieses Verhütungsmittel hat bei einem Gewicht der Tiere von bis zu drei Tonnen auch entsprechende Ausmaße - die Tablette ist etwa so groß wie ein Brötchen.

Bulettes Nachkommen leben inzwischen auf der ganzen Welt. Besonders stolz ist der Zoo darauf, daß es sogar gelungen ist, einige Sprößlinge in afrikanischen Flußgebieten auszuwildern.

Zu ihren besten Zeiten wog Bulette so viel wie drei Schulklassen (100 Schüler) - rund 3000 Kilo. Allgemein werden Flußpferde bis zu 4,5 Meter lang. Eigentlich wird ihnen ein unfreundliches Wesen nachgesagt. Nicht so Bulette. Die alte Dame war eigentlich stets "gut drauf", lassen Tierpfleger wissen. Nach Bulettes Tod leben im Moment noch fünf Flußpferde im Zoo in der City-West.

Die wohl ältesten Bewohner des Zoos sind die Paku-Fische, die seit 1952 im Zoo-Aquarium leben - ihr Alter ist nicht bekannt.