Protest

Der ungeliebte neue Park

| Lesedauer: 5 Minuten
Isabell Jürgens

Auf einer der letzten großen innerstädtischen Brachflächen haben gestern mit einem symbolischen Spatenstich die Landschaftsbauarbeiten für den Park auf dem Gleisdreieck begonnen.

Bis 2012 soll aus dem 26 Hektar großen ehemaligen Bahnareal zwischen Tempelhofer Ufer und Yorckstraße ein Volkspark für rund 300 000 Menschen aus den angrenzenden Ortsteilen Kreuzberg, Schöneberg und Tiergarten werden. In der zwölf Jahre dauernden Planungsphase wurde versucht, den Ansprüchen der künftigen Nutzer möglichst gerecht zu werden. Mit dem Baustart wird jetzt klar, dass das nur bedingt gelungen ist.

Bereits vor einem Jahr wurde auf dem Gelände mit der Altlastenentsorgung begonnen. Die Grün Berlin Park und Garten GmbH, die auch den Britzer Garten in Neukölln betreibt, ist die Projektleiterin für die Arbeiten. Anders als in Neukölln soll am Gleisdreieck jedoch kein Eintritt verlangt werden.

Nach den Plänen der Landschaftsarchitekten Atelier Loidl soll nun zunächst bis 2011 der sogenannte Ostpark angelegt werden, der mit einer Fläche von 17 Hektar den größten Teil des Parks bildet. Der Westpark soll ein Jahr später fertig werden. 13 Millionen Euro stehen für den Bau des Parks bereit - Geld, das als Ausgleich für die Bebauung am Potsdamer und Leipziger Platz von den Investoren zur Verfügung gestellt wurde.

Die Planungen für den Park auf dem Gleisdreieck gehen bereits auf das Jahr 1997 zurück. Damals entwarf der Senat ein Konzept für das Projekt. Der neue Park soll demnach eine grüne Verbindung zwischen den modernen Büroquartieren am Potsdamer Platz mit den Altbauquartieren in Schöneberg und Kreuzberg und dem Technikmuseum bilden.

Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) betonte gestern, dass die Bürgerbeteiligung im Vorfeld der Planungen umfassend war und damit vorbildlich für den künftigen Landschaftspark auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof seien. "Wir haben die Menschen in zahlreichen Gesprächsrunden nach ihren Vorstellungen gefragt und ihre Wünsche so weit wie möglich berücksichtigt", so die Senatorin. Im Ergebnis habe der Park auf dem Gleisdreieck für jeden etwas zu bieten: Ein Rundweg lade zum Spazierengehen, Joggen, Walken, Rollerfahren, Radfahren und Skaten ein. Die zentrale Rasenfläche sei ein multifunktionaler Raum, der sowohl als Liegewiese als auch zu Betätigungen wie Federball, Frisbee oder Ballspiel einlade. Zwischen der Bahntrasse und dem Wäldchen entstehe zudem das "Sportgleis" mit befestigten Sportflächen, Ballspielplätzen und einer Skatebahn.

Kritik an "Naturvernichtung"

Die AG Gleisdreieck bezeichnet die Bürgerbeteiligung indes als "Farce". AG-Mitglied Norbert Rheinlaender: "Wir bedauern, dass ein Park geschaffen wird, für den eine ökologisch einmalige Fläche verschwinden muss". Zum Ärger der AG und vieler Anwohner wurden auf der riesigen Brache nämlich zahlreiche Bäume gefällt und das Gebüsch gerodet. Um Liegewiesen und Bolzplätze anzulegen, musste die Spontanvegetation, die das Gelände bisher geprägt hatte, weichen. "Von der ursprünglichen Natur sind nur noch einige Inseln übrig geblieben", so Rheinlaender.

Wer sich ein Eindruck des verloren gegangenen Grüns verschaffen wolle, habe dazu nur noch kurze Gelegenheit auf dem "Flaschenhals" genannten Areal südlich der Yorckbrücken, bevor auch dieses zugunsten einer "multifunktionalen Nutzung" geschleift werde. "Ein schicker City-Park mit "kehrfähigen und pflegeleichten Flächen" habe nie den Wünschen der Anwohner entsprochen, bekräftigt eine Aktivistin, die anonym bleiben möchte.

Immerhin: Dank der Bürgerinitiativen gibt es zwei Bereiche im Park, in denen Bürger selbst die Gestaltung übernommen haben. So gibt es an der Yorckstraße die "Interkulturellen Gärten" und ebenfalls am Rande des Ostparks den naturbelassenen "Naturerfahrungsraum", für den die Kinder der Umgebung Ideen beisteuerten.

Streit zwischen den Bezirken

Und während die Naturfreunde die Vernichtung des gewachsenen Grüns zugunsten der vielen Freizeitflächen bedauern, bahnt sich bereits ein neuer Konflikt an. Die Bezirksverordneten-Versammlung von Friedrichshain-Kreuzberg hatte jüngst mit den Stimmen von Grünen und Linken beschlossen, die Kleingartenkolonie "Potsdamer Güterbahnhof", kurz POG genannt, erhalten zu wollen. Auf dieser Fläche waren eigentlich Fußballplätze für den Vereinssport der drei Bezirke Kreuzberg-Friedrichshain, Mitte und Tempelhof-Schöneberg geplant. Doch mit dem Beschluss, die rund 50 Kleingartenparzellen zu bewahren, ist dieses Vorhaben nun vom Tisch. "Dieser Alleingang des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ist absolut unsolidarisch und ein herber Rückschlag für die Vereine", kritisiert deshalb Angelika Schöttler (SPD), Sportstadträtin in Tempelhof-Schöneberg.

Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne) arbeitet mittlerweile an einer kleinen Lösung. Statt eines großen Sportparks für alle drei Anliegerbezirke gibt es nun lediglich einen Platz für Kreuzberg: "Wir haben das Atelier Loidl beauftragt, ihre Pläne für den Westpark so umzuarbeiten, dass dort ein Fußballplatz mit Umkleidekabinen entstehen kann", sagt Schulz. So wäre immerhin eine Lösung für den Kreuzberger Fußballverein Türkiyemspor gefunden. Die Umplanungskosten, so Schulz, würden sich Senat und Bezirk teilen. Für die Kritik aus Tempelhof-Schöneberg und Mitte habe er kein Verständnis, zumal er den Willen zur Realisierung des Sportplatzes nicht erkennen könne. Schulz: "Die haben ja noch nicht einmal die notwendigen Finanzmittel in die bezirkliche Investitionsplanung einbezogen."