Pisa-Ergebnis hat erneut gezeigt: Berlin fördert und fordert Schüler nicht genug

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Nun wissen wir es erneut: Die Leistungen der Berliner 15-jährigen lassen zu wünschen übrig. Im Vergleich der Bundesländer, der jetzt mit der Pisa-E-Studie vorliegt, stehen sie wieder hinten, weit abgeschlagen von den Jugendlichen anderer Bundesländer. Das ist nicht nur ein Problem für die Hauptstadt und ihr Image als Stadt des Wissens, sondern auch ein handfester Standortnachteil: Investoren und Führungskräfte, die wir so dringend in dieser Stadt benötigen, haben einen weiteren Grund, sich ein Engagement in Berlin reiflich zu überlegen. Sollen sie das Risiko eingehen, daß ihre Kinder schlechter ausgebildet werden als in anderen Bundesländern, werden sie es nicht vorziehen, ihr Geld in Bayern zu investieren oder ihre Kompetenz in Baden-Württemberg einzubringen? So höre ich nicht selten dieses Argument, wenn wir mit Spitzenwissenschaftlern verhandeln, um sie z. B. für eine Professur an der Freien Universität zu gewinnen.

Aber dieses Ergebnis ist auch für die jungen Menschen ein Schlag. Sie müssen befürchten, daß ihre Zeugnisse kritisch betrachtet werden, wenn sie sich bewerben, und ganz objektiv ist es so: Ihre Leistungen sind schlechter als die ihrer Altersgenossen und damit auch ihre Chancen in Ausbildung und Beruf. Das muß anders werden. Eltern und Schüler wollen wissen, woran es denn nun liegt. Sind Berliner Jugendliche dümmer oder bequemer? Natürlich nicht. Aber ihre Fähigkeiten werden in Berlin offensichtlich nicht hinreichend ausgebildet.

Dafür gibt es viele Gründe. Sie sind viel zu spät mit dem Lesen vertraut gemacht worden, weil das durchschnittliche Einschulungsalter bei 6,8 Lebensjahren lag, also drei Jahre zu spät. - Wenn sie zu den besonders Begabten gehörten, wurden sie nicht rechtzeitig entdeckt, oder es gab keine besonderen Lernangebote für sie. - In den Klassen fünf und sechs herrschte nicht selten Stillstand und keine Arbeitshaltung, die im Gymnasium erwartet wurde. - Migrantenkinder erfuhren nicht die erforderliche frühe Betreuung ebenso Lernschwache. Und manches Mal dachte ein Lehrer oder eine Lehrerin, sie täte ihren Schützlingen einen besonderen Gefallen, wenn sie nicht "überfordert" würden und wenn man bei der Notengebung ein Auge zudrückte. Diese Probleme sind inzwischen erkannt, und vieles ist auf den Weg gebracht worden. Eine wichtige Lehre aus Pisa lautet: die Schulen benötigen die Festlegung von Mindeststandards, die alle Schüler erreichen müssen. Sie werden gegenwärtig für alle Bundesländer zentral entwickelt, und ein von Berlin und Brandenburg eigens eingerichtetes Institut für Schulqualität an der Freien Universität wird dafür sorgen, daß die Standards auch in der Schule ankommen und daß ihre Einhaltung überprüft wird. Im Alltag heißt das, daß alle Lehrenden für die Umsetzung dieser Standards persönlich verantwortlich sind. In Vergleichsarbeiten oder durch zentral gestellte Prüfungsaufgaben im Abitur wird gewährleistet, daß gleiche Bedingungen herrschen und daß nicht "geschummelt" wird. Denn Wegsehen hilft niemandem in unserer Stadt, am allerwenigsten unseren Kindern.

Deshalb müssen die Eltern der Schule helfen bei ihrer Aufgabe. Lehrer können nur erfolgreich sein, wenn im Elternhaus ein Klima von Leistungsbereitschaft und Verantwortungsübernahme herrscht. Fragen wir also unsere Kinder, welche Hausaufgaben sie haben, bestehen wir darauf, daß diese sofort nach der Schule angefertigt werden, überprüfen wir, ob auch alles vollständig und sorgfältig erledigt wurde. Und fragen wir regelmäßig Lehrer nach dem Leistungsstand und danach, was wir zur Unterstützung unserer Kinder tun können. Denn eines ist klar: Unsere Kinder müssen spüren daß unsere Sorge und gelegentliche Strenge nichts anderes ist als der Ausdruck unserer Verantwortung für ihre Zukunft und der Ausdruck unserer Liebe.