Nunmehr sei es Zeit für den zweiten Schritt: "Wir können jetzt daran gehen, ein gegebenes Versprechen wahr zu machen", so Junge-Reyer. "Aus den einstigen Verkehrschneisen in Neukölln, Adlershof und Schöneweide sollen wieder attraktive Stadtstraßen werden."
Der Vergleich der Verkehrszählungen vor (April 2008) und nach (September 2008) Inbetriebnahme des neuen Autobahnabschnitts zwischen Adlershof und dem Dreieck Waltersdorf bestätige die seinerzeit gemachten Prognosen, sagte die Senatorin. So reduzierte sich etwa der Verkehr auf der B 96a "Am Seegraben" um täglich 28 bis 39 Prozent (10 500 bis 12 900 Fahrzeuge weniger) und auf der ehemaligen B 179 im Bereich der Waltersdorfer Chaussee um 35 bis 38 Prozent (6100 bis 9500 Fahrzeuge weniger).
Adlergestell nur wenig entlastet
Nicht ganz so glänzend fällt die Zählung im Bereich des Straßenzuges Schnellerstraße/Adlergestell aus. Dort ging der Verkehr nur um sieben bis neun Prozent zurück (3100 bis 5400 Fahrzeuge weniger). Für die Anwohner dürfte die Verkehrsentlastung damit kaum spürbar sein. Für die Senatorin lässt das nur einen Schluss zu: "Die A 100 zwischen Neukölln und Treptow muss weitergebaut werden, damit sich auch dort der volle Entlastungseffekt einstellen kann."
Der Erfolg der A 113 liefere aber den Beweis, dass "eine städtische Autobahn sehr viel Gutes für die Anwohner bewirken kann". Der Weiterbau der A 100 ist nicht nur im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg - wo der Stadtring dann künftig enden würde - beim Naturschutzbund und den Grünen, sondern auch in ihrer eigenen Partei, der SPD, heftig umstritten.
Dass die jetzt vorgelegten Zahlen die Kritiker zum verstummen bringen, ist aber eher unwahrscheinlich. Kaum hatte die Senatorin die Studie ins Internet gestellt, reagierte gestern als erste die Verkehrsexpertin der Grünen, Claudia Hämmerling. "Während der S-Bahnverkehr kollabiert, redet sich Senatorin Junge-Reyer ihre Autobahnpläne schön", kritisierte Hämmerling. "Die Senatorin lenkt davon ab, dass damit immense Verkehrsströme nach Friedrichshain, Kreuzberg und Lichtenberg fließen werden." Und selbst der ADAC, der sich über die A 113 "grundsätzlich freut", wie es Sprecher Michael Pfalzgraf formuliert, sieht noch Nachbesserungsbedarf. "Nun muss alles dafür getan werden, dass Lkw-Fahrer die A 113 im Verbund mit der A 111 nicht länger als schnelle Alternative zur Umfahrung Berlins auf dem Autobahnring nutzen", so Pfalzgraf. Nach Angaben des Automobilclubs sei der Schwerlastverkehr auf den Stadtautobahnen seit der Freigabe vor einem Jahr um 20 Prozent gestiegen. "Deshalb halten wir eine flexible Maut für dringend geboten." Nur wenn das Fahren durch Berlin teurer wäre als der Umweg, würden die Brummi-Fahrer darauf verzichten.
Verkehrsschneisen zu Stadtstraßen
Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer kündigte gestern auch den schrittweisen Um- und Rückbau der Hauptverkehrsachsen zu attraktiven Stadtstraßen an. Bereits im kommenden Jahr soll damit an der Stadtgrenze bis zur Grünauer Schleife begonnen werden. Die ehemalige Protokollstrecke zum Flughafen Schönefeld wird auf zwei Fahrstreifen je Richtung reduziert, um drei Baumreihen ergänzt und mit beidseitigen Fuß-/Radwegen versehen.
Nach diesem Vorbild sollen auch die Bereiche um den S-Bahnhof Adlershof und dem Bahnhof Schöneweide umgestaltet werden. Beide Bahnhöfe erhalten zudem neue Vorplätze. Die Geschwindigkeit auf dem gesamten Straßenzug B 96a wird zudem von derzeit 70 auf 50 Stundenkilometer begrenzt.
Aus Mitteln des Programms Stadtumbau West Neukölln-Südring sollen auch die Karl-Marx-Straße zwischen Grenzallee und Jonasstraße, der Lahnstraße sowie der Saalestraße und der Sonnenallee im Bereich des S-Bahnhofs Sonnenallee ein neues Gesicht bekommen. "In diesem Bereich ist die ehemalige B 179 bereits zur Stadtstraße herabgestuft und keine Bundesstraße mehr", so Heribert Guggenthaler, Leiter der Verkehrsabteilung in der Senatserwaltung. Neben der Neuanpflanzung von Linden sollen Gehwege erneuert und neue Radwege angelegt werden. Der erste Bauabschnitt zwischen Silberstein- und Jonasstraße soll 2010 in Angriff genommen werden. Allein für diesen Abschnitt stehen 1,6 Millionen Euro zur Verfügung.
Ab 2011 sollen weitere Abschnitte sowie die Umgestaltung des Hermannplatzes folgen. "Die Finanzierung dafür ist noch nicht geklärt", räumte Junge-Reyer gestern ein. "Die Senatorin verschweigt, dass das notwendige Geld dafür im Haushalt fehlt beziehungsweise die Etats anderer Ressorts wie der Bildungspolitik zugunsten des Straßenbaus schrumpfen müssten", kritisiert Claudia Hämmerling.
Stadtautobahn bleibt, wie sie ist
Voller Neid dürften die lärm- und abgasgeplagten Anlieger der älteren Abschnitte der Stadtautobahn A 111 und A 100 in Charlottenburg, Wilmersdorf oder Schöneberg auf die mit Lärmschutzwänden aus Lärchenholz versehene A 113 blicken, die zudem streckenweise im Tunnel verläuft. Allein die 10,5 Kilometer auf Berliner Gebiet haben 294 Millionen Euro verschlungen. Als Ausgleich für die Betonpiste wurde kürzlich der 63 Hektar große Landschaftspark Rudow-Altglienicke als Ausgleichsmaßnahme eingeweiht und der parallel verlaufende Mauerweg bietet eine attraktive Skater- und Radfahrerstrecke. Eine Hoffnung auf optische und akustische Nachrüstung der Stadtautobahn, etwa im dicht besiedelten Bereich Autobahndreieck Charlottenburg und Autobahnkreuz Schöneberg besteht jedoch nicht. Auf Bestandsstrecken müssen die heute geltenden strengen Lärmrichtlinien nicht angewendet werden. "Nur bei einem Ausbau könnte man solche Maßnahmen einfordern", sagt Manuela Damianakis, Sprecherin der Verkehrssenatorin.