Verwaltung

Schulen müssen Gewalt nicht mehr melden

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Regina Köhler

Berliner Schulen müssen Vorfälle wie Schlägereien, Beleidigungen von Lehrern, Sachbeschädigungen oder Anpöbeleien seit Beginn dieses Schuljahres nicht mehr unbedingt bei der Bildungsverwaltung melden. Sie können selbst entscheiden, wie mit derartigen Ereignissen umzugehen ist und ob sie sie veröffentlichen. So steht es in einem Rundschreiben der Bildungsverwaltung an alle Berliner Schulen.

Wolfgang Schimmang (SPD), Bildungsstadtrat in Neukölln, hält diese Änderung für falsch. "Gewalt muss grundsätzlich öffentlich gemacht und geächtet werden", sagte Schimmang. Er habe die Schulleiter der Neuköllner Schulen in der Vergangenheit immer wieder angewiesen, alle Vorfälle ernst zu nehmen und zu melden. "Neukölln lag deshalb zwar an der Spitze der Gewaltstatistik der Berliner Schulen", so Schimmang. Die Offenlegung der Probleme sei aber notwendig, um Abhilfe schaffen zu können. Die Einführung der neuen Melderegelung habe nun aber dazu geführt, dass die Gewaltvorfälle an Neuköllner Schulen um 40 Prozent zurückgegangen sind. Wurden im ersten Halbjahr 2008/09 noch 123 Fälle gemeldet, waren es im ersten Halbjahr 2009/10 nur noch 82. "Diese Zahlen zeigen ein falsches Bild", sagte Schimmang. Er gehe davon aus, dass die Schulen viele Vorfälle nicht mehr gemeldet haben.

Meldeverhalten unterschiedlich

Jens Stiller, Sprecher von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), spricht von einer Entbürokratisierung der Meldevorschriften. "Wir haben das Verfahren auf Bitte der Schulen vereinfacht." Schulen könnten geringfügige Delikte jetzt selbst bearbeiten. Die Gewaltstatistik werde dadurch nicht verfälscht, sei doch das Meldeverhalten der Schulen schon immer sehr unterschiedlich gewesen, so Stiller.

Psychologin Ria Uhle, bei der Bildungsverwaltung für Gewaltprävention zuständig, sieht in der neuen Regelung eine Stärkung der Eigenverantwortung der Schulen. "Die Schulen können selbst entscheiden, wie sie mit Fällen umgehen, die außerhalb der polizeilichen Meldepflicht liegen und mit pädagogischen Mitteln zu bewältigen sind", sagte Uhle. Nichtigkeiten wie "Schüler x schubst Schüler y" gehörten nicht in die Gewaltstatistik.

Laut Uhle wird in den nächsten Tagen der Gewaltbericht der Bildungsverwaltung für das Schuljahr 2008/09 veröffentlicht werden. Dieser sei noch nach der alten Meldepflicht erstellt und verzeichne einen leichten Anstieg an Vorfällen.

Monika Hermann (Grüne), Bildungsstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, hält die neue Melderegelung indes für "Mauschelei". Würde die Statistik auf diese Weise geschönt, hätten die Schulen kein politisches Druckmittel mehr, wenn es um die Einstellung von Sozialarbeitern oder die Einrichtung von Schulstationen gehe, sagte sie.

In Neukölln wurde unterdessen Wachschutz für die Schilling-Förderschule beschlossen. 13 Oberschulen sowie drei Grundschulen des Bezirks haben bereits einen regulären Wachschutz.