Wenige Tage nach dem Brandenburger Protestwahlkampf und dem Scheitern der angepeilten rot-roten Koalition in Potsdam beschreitet die Berliner PDS den genau entgegengesetzten Weg. Wirtschaftssenator Harald Wolf plädiert in einem Diskussionspapier für die Klausurtagung am Wochenende in Stettin dezidiert für die Fortsetzung des Bündnisses mit der SPD.
Wolf erneuerte den Anspruch der PDS, in der Regierung Politik zu gestalten - und nicht nur in der Opposition Protest zu bündeln oder erfolglos Anträge zu stellen. Fraktion und Landesvorstand sind durchaus gewillt, dem strategischen Vordenker der Partei auf diesem Kurs zu folgen. Auch und gerade weil die mehrheitlich pragmatischen Berliner damit in der bundesweiten internen PDS-Debatte um die Ausrichtung der Partei zwischen Regieren oder Opponieren wieder einmal ein klares Zeichen setzen.
Wolf mahnt seine Genossen zu einem neuen Gestus in der öffentlichen Darstellung ihres Handelns. Die PDS dürfe sich nicht nur auf Notwendigkeiten berufen. Mit dieser Haltung überzeuge niemand Wähler, ist Wolf überzeugt. Rot-Rot dürfe nicht als Vollstrecker eines abstrakten Sparzwangs wahrgenommen werden. Auch die Aussage, gegen eine SPD "Schlimmeres verhindert" zu haben, ziehe nicht.
Strukturreformen wie der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, die Neuordnung der Hochschulmedizin, das neue Schulgesetz, die Opernstiftung, die neue Struktur der Wirtschaftsförderung oder die Hochschulverträge mit abgesenkten Zuschüssen seien unabhängig von der Haushaltslage notwendig und sinnvoll. "Wir haben zu oft auf mildernde Umstände plädiert, statt uns zum Vorsatz zu bekennen", sagt Wolf. Es gelte deutlich zu machen, dass es keineswegs in der tiefen sozialistischen Seele der PDS schlummere, finanzielle Wohltaten zu verteilen. Die Konsolidierung des Haushaltes sei das zentrale Wahlkampf-Versprechen 2001 gewesen. Nun seien die großen Strukturentscheidungen getroffen.
Bis zu den Wahlen 2006 will die PDS durch Kooperation ihrer drei Ressorts Wirtschaft und Arbeit, Kultur und Wissenschaft sowie Gesundheit und Soziales in kleinen Schritten Aufbauarbeit leisten. Die einst so sozialpolitisch fixierte Fraktion folgt überzeugt auf dem Weg, beispielsweise den Gesundheitssektor nicht nur als soziale Angelegenheit zu betrachten, sondern auch als Potenzial für wirtschaftliche Innovation zu nutzen. "Wir wollen noch lange weiterregieren", sagt eine Abgeordnete, die nicht zu den ganz harten Realos um Wolf zählt.
Für die PDS geht es laut Wolf darum, wirtschaftlichen Aufbau und Modernisierung zusammenzubringen mit Engagement für die Arbeitslosen im Zuge der Umsetzung von Hartz IV, Initiativen für mehr Bürgerbeteiligung und dem Eintreten für eine liberale Innenpolitik. So will Wolf jene urbanen Aufsteigermilieus aus den Innenstadtbezirken für die PDS gewinnen, die zuletzt den Grünen große Wahlerfolge beschert haben.
Mit der SPD strebt die PDS eine Absprache an, sich in den nächsten zwei Jahren Spielräume zur Profilierung zu lassen, andererseits aber gemeinsame Erfolge zu betonen. Großmütig formuliert Wolf, es liege "durchaus im Eigeninteresse der PDS, dass der sozialdemokratische Partner sein derzeitiges Umfragetief überwindet". Den Weg zur Normalität der Macht belegte die Gästeliste der Fraktionsklausur in Stettin: Mit den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer, Eric Schweitzer und Stephan Schwarz, reisten zwei der wichtigsten Vertreter der Berliner Wirtschaft nach Polen.