Die künstlichen Hüftgelenke der Lübecker Firma ESKA Implants AG sind offenbar bei mehreren Berliner Patienten in Kliniken der Hauptstadt eingesetzt worden und gebrochen. Vier Betroffene haben sich jetzt an den Berliner Medizinanwalt Jörg Heynemann gewandt.

Einer ist der Steglitzer Hans-Joachim Bölitz. Der 64-Jährige kann sich genau daran erinnern, als seine rechte künstliche Hüfte brach: "Es war der 12. Juni 2004. Ich war auf dem Sportplatz walken, als es plötzlich 'Klirr' machte, als ob jemand Geschirr auf die Erde geworfen hätte", sagt der Rentner. Plötzlich hatte Bölitz keine Kontrolle mehr über sein rechtes Bein. "Der Fuß wackelte nur noch herum." Irgendwie schleppte er sich nach Hause. Sein Sohn alarmierte die Feuerwehr.

In der Klinik stellten die Ärzte fest, dass der Kugelkopf, ein Zwischenstück seiner rechten künstlichen Hüfte, gebrochen war. Dadurch war die ganze Prothese, die aus fünf Teilen besteht (siehe Grafik) zusammengesackt. Bölitz musste operiert werden. Der Konusadapter K12/14, ein anderes Zwischenstück der Kunsthüfte am oberen Prothesenteil, ein Steckteil für den Stiel und den Kopf, ist inzwischen wegen einer "erhöhten Rate von Versagensfällen" vom Markt genommen worden, laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Rückruf-Aktion sei im April 2006 abgeschlossen gewesen, so das BfArM.

Beide Gelenke können brechen

Ein solcher Konusadapter K12/14 der Firma ESKA Implants AG ist auch bei Hans-Joachim Bölitz bei seiner ersten Hüft-Operation am 31. Januar 2000, als er im Neuköllner Krankenhaus auf beiden Seiten ein neues Hüftgelenk bekommen hat, eingesetzt worden. Nach nur vier Jahren brach die rechte Hüfte 2004 beim Walken zusammen. Im Auguste-Viktoria-Krankenhaus wurde Bölitz wieder das gleiche Prothesen-System implantiert, mit jenem anfälligen Konusadapter K12/14, wie aus seinem Implantatpass hervorgeht. "Jetzt habe ich Sorge, dass beide Hüften brechen", sagt Bölitz.

Schlimm traf es am 17. November 2008 auch Klaus Kober. Der 64-jährige ehemalige Berliner stand in seinem Garten in der süddeutschen Stadt Affalterbach, als plötzlich ein Schmerz wie ein Blitz durch seinen ganzen Körper fuhr. "Es gab ein Krachen, ein Schlagen und einen schlimmen Schmerz", sagt Kober. Er fiel auf den Rasen. "Ich dachte, mein künstliches Hüftgelenk ist ausgekugelt", erinnert er sich. Auf dem Rücken liegend robbte sich der Unternehmensberater mühsam die 30 Meter in sein Haus. "Ich war schweißgebadet und habe am ganzen Körper gezittert." Auch bei Kober wurde die Kunsthüfte der Lübecker Firma ESKA Implants mit dem Konusadapter K12/14 am 30. März 2004 im Berliner Auguste-Viktoria-Klinikum implantiert.

Stundenlang versuchten die Ärzte im Ludwigsburger Krankenhaus, die zerbrochene Prothese zu entfernen. Dafür mussten sie Kober auch ein Stück vom Oberschenkel wegsägen. Nun sei sein rechtes Hüftprothesen-Bein etwas kürzer. Wegen des schwierigen Eingriffs habe er zehn Wochen Bettruhe verordnet bekommen. Bis der Freiberufler sein Bein wieder voll belasten und er arbeiten kann, werden noch vier Monate vergehen. Sowohl Kober als auch Bölitz wollen mit Hilfe des Berliner Medizinanwalts Jörg Heynemann Schadenersatz und Schmerzensgeld von der Prothesenfirma ESKA Implants AG fordern. Auch gegen den Operateur, der inzwischen im Zehlendorfer Helios-Klinikum Emil von Behring tätig ist, wollen die beiden Prothesen-Träger voraussichtlich vorgehen.

Strafanzeige gegen den Arzt

Ralf Siegel, ein anderer Patient, dem im Helios-Klinikum Emil von Behring die ESKA-Hüfte eingesetzt wurde, welche ihm beim Schuhanziehen plötzlich brach (die Berliner Morgenpost berichtete), hat von der Prothesenfirma ESKA Implants außergerichtlich Schmerzensgeld erhalten. Siegel geht nun auch gegen die Klinik und den Operateur vor. Einer seiner Vorwürfe: Die Klinik und der Arzt hätten ihn nicht informiert, als das fehlerhafte Hüftteil vom Markt genommen wurde. Auch die anderen beiden Patienten hatten keine Ahnung, dass ihre Kunsthüfte von der Firma modifiziert worden ist, wegen "Versagensfällen". Medizinanwalt Jörg Heynemann hat Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Helios Privatkliniken GmbH erstattet, wegen Körperverletzung. "Die Patienten wurden und werden nicht über die Fehlerhaftigkeit der Hüftimplantate informiert. Dies halte ich für verantwortungslos", kritisiert Heynemann die Kliniken und die Ärzte.

Die Helios-Klinik räumt zwar Versäumnisse ein bei der Nichtinformation der Patienten. "Wir bedauern dies außerordentlich", sagt Helios-Regionalsprecherin Natalie Erdmann. Aber das Klinikunternehmen sehe nur ein geringes, wenn auch bestehendes Risiko eines Bruchs.

Derweil fordert Anwalt Heynemann die Einführung eines Implantatregisters. Die Hersteller müssten strafbewehrt die Kliniken über Schadensfälle informieren und die Kliniken wiederum müssten dann die betroffenen Patienten informieren.