Wann genau die Situation an diesem Abend des 1. Mai 1987 eskalierte, weiß niemand so genau. Das Straßenfest am Lausitzer Platz verlief überwiegend friedlich, es wurde viel getrunken, die Polizei zog sich bereits zurück, als die Stimmung umschlug. Was folgte, waren die schwersten Ausschreitungen, die Berlin in der Nachkriegszeit erlebt hat. 36 brennende Autos, 30 geplünderte Läden, weinende Polizeiführer, 1500 Steine schmeißende Vermummte - niemand hatte mit derart brutalen Übergriffen gerechnet.
Zwei Jahrzehnte später ist der Kreuzberger 1. Mai 1987 ein Mythos. Der abgebrannte Bolle-Supermarkt gegenüber dem Görlitzer Bahnhof sein Symbol. Als die Plünderungen in der Nacht anfingen, war Bolle das erste Ziel. Während die Autonomen die Spirituosen-Abteilung kurz und klein schlugen, räumten die Nachbarn den Supermarkt komplett leer. Dann brannte der Markt aus.
Jahrelang mahnte die Brachfläche an der Wiener-/Ecke Skalitzer Straße an den ersten so gewalttätigen 1. Mai. Alle Versuche, das Gelände neu zu bebauen, scheiterten in den Jahren danach zunächst.
Es waren gleich mehrere Ursachen, die zur Eskalation beigetragen haben: Während viele Kreuzberger nach dem harten Winter noch auf die Kohlenhilfe des Senats angewiesen waren, feierte das offizielle Berlin am 30. April im weiträumig abgesperrten ICC die Eröffnung zur 750-Jahrfeier Berlins. Viele empfanden die pompöse Veranstaltung als Affront. Zudem hatte die Polizei am Morgen des 1. Mai mehrere Büros der Gegner der anstehenden Volkszählung durchsucht. Schließlich brachte ein starker Polizeieinsatz auf dem Fest am Lausitzer Platz am Nachmittag die Gemüter zusätzlich in Wallung.
Insgesamt war die politische Stimmung in West-Berlin aufgeheizt. Der Besuch des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan stand an, und der Internationale Währungsfonds (IWF) plante ein Treffen in Berlin im darauf folgenden Jahr.
Im Jahr darauf schlug die Staatsgewalt am 1. Mai mit voller Kraft zurück. Hatte sich die Polizei 1987 streckenweise gedemütigt zurückgezogen, so zeigte sie 1988 äußerste Härte und zerschlug jedes Aufkeimen von Gewalt bereits im Ansatz.
Das änderte sich im Wendejahr 1989 wieder, und das Pingpong-Spiel zwischen linker Szene und Polizei in den Folgejahren begann. Standen 1987 anfangs noch 250 und später 400 Polizisten den mehreren Tausend Gewalttätern gegenüber, so wurden in den Folgejahren stets über 5000 Polizisten bereitgestellt.
In den 90er-Jahren schwappten die Krawalle in den Ostteil Berlins nach Friedrichshain über, die Randale brandete als Welle mal in Ost, mal in West auf. Rund um die Mainzer Straße leisteten sich Hausbesetzer und Polizei streckenweise regelrechte Straßenkämpfe.
In den vergangenen zwei Jahren kam es kaum noch zu Auseinandersetzungen. Auch anlässlich des 20. Jahrestages der Krawalle deutet bislang nichts auf deren Renaissance hin. Vielmehr zieht die Szene der anstehende G-8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm in den Bann. Sie trifft derzeit Vorbereitungen für die Gegendemonstrationen in der Hansestadt Rostock.