CDU verklagt CDU - Berlin drohen Neuwahlen am 9. März

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Stefan Schulz

Drei Stunden lang ließen sich die Richter des Landesverfassungsgerichts am Montag über das Polit-Theater bei der CDU-Kandidatenaufstellung für die Abgeordnetenhauswahl informieren. Die Richter fällen ihr Urteil am 6. Dezember. Im schlimmsten Fall stehen den Berlinern Neuwahlen für das ganze Land bevor. Laut Gesetz ist der frühest mögliche Wahltermin in 90 Tagen - am Sonntag, 9. März 2003.

Rute oder Süßes? - Am Nikolaustag entscheidet das Landesverfassungsgericht über die peinliche Posse um Pöstchen und Mandate, die die CDU im Bezirk Steglitz-Zehlendorf nun schon seit weit mehr als einem Jahr aufwühlt. Die Kläger Marcus Mierendorff und Ulrich Manske hatten Einspruch gegen die Kandidatenaufstellung eingelegt. Nun drohen sogar Neuwahlen, wenn das Gericht den Klägern Recht gibt. Nicht wahrscheinlich, aber durchaus möglich - wie das Beispiel in Hamburg 1993 zeigt.

Es waren gestern vor allem der grüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland und CDU-Landeschef Christoph Stölzl, die appellierten, es nicht so weit kommen zu lassen wie in der Hansestadt. Es müsse die Partei bestraft werden, die Fehler mache, forderte Wieland.

Denn wenn es möglich sei, Neuwahlen «durch solches Kuddelmuddel» auszulösen, warnte er, könnten Parteien versucht sein, Wahlanfechtungs-Möglichkeiten bewusst zu planen. CDU-Chef Stölzl hat die gleiche Sorge wie Wieland, wonach Parteien solche «Sprengsätze einbauen» könnten. Er bat das Gericht unter Vorsitz des stellvertretenden Verfassungsgerichts-Präsidenten Ulrich Storost, in seiner Urteilsbegründung dieses Problem zu beleuchten. Das müssen die Richter auch, denn Mierendorff-Anwalt Joachim Herrmann stellte den Antrag, Neuwahlen anzusetzen. Hintergrund: Die beiden Kläger waren zunächst als Kandidaten für die Wahlen nominiert worden. Der Wahlvorschlag wurde beim Bezirkswahlausschuss eingereicht.

Nach einer Anfechtung erklärte das CDU-Bundesparteigericht die Nominierung der beiden wegen formaler Mängel für ungültig. Bei einem zweiten Kreisparteitag im September 2001 wurde der erste Wahlvorschlag mit Drei-Viertel-Mehrheit zurückgezogen und teils andere Kandidaten nominiert. Mierendorff und Manske gingen leer aus. Der Landeswahlausschuss verwarf ihre Beschwerde und ließ die 2. Bezirksliste der CDU Steglitz-Zehlendorf zur Wahl zu. Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskas gestern: «Parteien können Wahlvorschläge ändern. Das ist immer mal wieder geschehen.»

Deshalb rückten für Manske und Mierendorff die derzeitigen Abgeordneten Karl-Georg Wellmann und Michael Braun auf die Liste. Nach Ansicht ihres Anwaltes Jan Hegemann dürfte ein Sieg der Kläger weitreichende Folgen haben. Zum einen könnten alle fünf gewählten Abgeordneten aus Steglitz-Zehlendorf ihr Mandat verlieren. Oder Braun und Wellmann würden durch Manske und Mierendorff in der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses ersetzt. Diese beiden Varianten hält Hegemann aber für unwahrscheinlich, weil sie nicht den Wählerwillen widerspiegeln.

Ebenfalls denkbar, aber nach Ansicht des Rechtsanwalts «schwer durchführbar», wäre eine Wiederholung der Wahl nur in Steglitz-Zehlendorf. Dies ginge wegen der Landeslisten von PDS und Grünen nur schwer. So bliebe nur eins, sagt Hegemann: «Allenfalls eine Neuwahl fürs ganze Land Berlin» - wenn die Kläger siegten.