Der letzte Ausweg heißt «neUhland»

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Das Mädchen war jung. Ihr Freund hatte sie verlassen, ihre engste Freundin bändelte mit ihm an. Sie fühlte sich verraten, verkauft. Es kamen andere Probleme hinzu. Schwerwiegende Probleme: Die Eltern stritten die meiste Zeit, der Vater trank, sie konnte ihm nichts recht machen. Er schrie sie an, er strafte sie mit Missachtung, was das Schlimmste war. Sie hatte dieses vage Gefühl, dass ihr Bruder bevorzugt wurde. «Sie lieben ihn mehr als mich, sie wollen mich nicht», sagte sie sich. Immer wieder, bis sie daran glaubte. Bis sie wie besessen war von dem Gedanken, hässlich zu sein, nicht liebenswert. Eine tiefe Einsamkeit empfand dieses Mädchen, gepaart mit der Unfähigkeit auf Menschen zuzugehen. Sie gab sich selbst die Schuld daran.

«Sie sah den Suizid als letzten Ausweg», sagt Gerd Storchmann vom Verein «neUhland». Der 44-jährige Sozialpädagoge hilft Jugendlichen aus der Krise, zeigt ihnen Alternativen zum Selbstmord auf.

«Wir können hilfreich sein», sagt Storchmann, «weil wir wissen, wie man mit Jugendlichen spricht.» Ereignisse, die Erwachsenen banal erscheinen, bringen bei ungefestigten Jugendlichen manchmal eine Welt zum Einsturz, die sie sich nur mühsam errichtet haben, wissen Storchmann und seine elf Kollegen in den beiden Beratungsstellen des Vereins in Wilmersdorf und Friedrichshain. Tausend Erstanfragen haben sie im vergangenen Jahr geführt. Über 4000 Folgegespräche haben sich daraus mit Kindern und Jugendlichen ergeben, die ihren Lebensmut verloren haben. Sie beraten die Jugendlichen auch im Internet.

Der Verein betreibt auch so genannte Krisenwohnungen mit zehn Plätzen, in die gefährdete Jugendliche flüchten können. Dort werden sie wieder aufgebaut. In der Gruppe steigert sich ihr Selbstwertgefühl. Zwei therapeutische Wohngemeinschaften und ein Heim für sexuell missbrauchte Kinder gehören außerdem dazu.

Wichtig ist, dass man den Kindern und Jugendlichen zuhört, auf Signale achtet, wie gekritzelte Kreuze oder Särge in Schulheften und Tagebüchern, sagt Storchmann. «Man muss sie direkt darauf ansprechen», fügt er hinzu. Sonst steigerten sich die Jugendlichen in ihre Stimmung. «Rache ist auch oft ein Motiv - nach dem Motto: Du wirst schon sehen, was du davon hast.» So war es auch bei dem Mädchen. «Wir konnten ihr helfen», sagt Storchmann. tt

Netz für Gefährdete

Der Verein, der Suizidgefährdeten hilft, steht im Internet unter www.neuhland.de