«Ich habe nichts gegen Juden. Was mich ärgert, sind die für mich entstehenden Kosten. Das wäre auch so, wenn sie die Straße Cowboy- oder Indianerstraße genannt hätten.» Thomas Siebrecht, Inhaber vom «Ü-Ei Punkt» an der Jüdenstraße in Spandau bekommt schlechte Laune, wenn er an die Rückbenennung der ehemaligen Kinkelstraße denkt, denn: Der Umsatz sinke seit Jahren, immer mehr Läden machten in der Altstadt dicht, und jetzt auch noch eine neue Anschrift, inklusive einer neuen Hausnummer. Das bedeutet Behördengänge für Ummeldungen, neue Visitenkarten, Stempel . . .
So wie der 40-Jährige denken die meisten der an der Jüdenstraße ansässigen Geschäftsleute. «So eine Umgewöhnung dauert jahrelang», sagt Detlef Remuß von der «Dewo Werbemittel GmbH». Wenn man die Straße wenigstens schon in den 60er-Jahren rückbenannt hätte: «Da konnten sich alle noch an die 1938 umbenannte Jüdenstraße erinnern.»
Während die Geschäftsleute ans Geld denken, streiten Spandaus Politiker über antisemitische Vorfälle bei der offiziellen Rückbenennung am vergangenen Freitag. Dort soll der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, von judenfeindlichen Rufen («Die Juden haben selbst Schuld») während seiner Rede unterbrochen worden sein. Der Spandauer FDP-Bezirksvorsitzende Wolfgang Mieczkowski, dessen Partei die Rückbenennung initiierte, forderte die SPD auf, sich hinter die Namensänderung zu stellen, um nicht weiter für eine «schädliche Polarisierung in Spandau» zu sorgen. Die Vorwürfe zielen gegen den Spandauer SPD-Vorsitzenden Swen Schulz, der sich nicht gegen die Rückbenennung an sich, aber gegen das «bürgerfeindliche» Vorgehen bei der Durchsetzung ausgesprochen hatte. Swen Schulz forderte gestern eine umfassende Aufklärung der Geschehnisse. So auch Anwohner Siegfried Schmidt von der Bürgeraktion Kinkelstraße: «Ich war dort, ich habe nichts Antisemitisches gehört. Aber wenn irgendjemand etwas gesagt hat, muss er sofort dingfest gemacht werden.» Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will das Ergebnis der Untersuchung abwarten: «Wenn es zu antisemitischen Äußerungen gekommen ist, wofür einiges spricht, ist das ein ernst zu nehmender Vorgang.» Jetzt ist Strafanzeige erstattet worden, die Kripo hat mit der Ermittlung von Zeugen begonnen. Polizisten vor Ort sollen Buhrufe und Pfiffe, aber keine volksverhetzenden Rufe gehört haben. Polizeipräsident Dieter Glietsch bezeichnete den Vorfall als «beschämend».