«Stölzl ist ein Gewinn»

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Karsten Hintzmann

Die parteiinterne Debatte über die Führungskrise der Berliner CDU ufert zwei Tage vor der mit Spannung erwarteten Sitzung des CDU-Landesvorstandes immer weiter aus.

Nach der Forderung von mehreren CDU-Kreisvorsitzenden, den 36 Jahre alten Reinickendorfer Unternehmer Frank Steffel als Fraktionschef abzulösen, werden jetzt auch Namen potentieller Nachfolger für den erst vor fünf Monaten gewählten Landesvorsitzenden Christoph Stölzl in die Öffentlichkeit lanciert. In Parteikreisen werden vor allem der frühere CDU-Bundesvorsitzende Wolfgang Schäuble und Ex-Bundesbauminister Klaus Töpfer als «Wunschkandidaten» gehandelt.

Die Junge Union (JU) forderte gestern von Stölzl ein Machtwort zur Beendigung des parteiinternen «Selbstzerstörungsprozesses». JU-Chef Kai Wegner sagte: «Jetzt muss der CDU-Landesvorstand und allen voran der Landesvorsitzende Christoph Stölzl Führung beweisen. Jegliche Personaldiskussionen in der Öffentlichkeit sind kontraproduktiv und ausschließlich zum Schaden der Partei.»

Der mitgliederstärkste Kreisverband der Berliner Union, der CDU-Verband Steglitz-Zehlendorf, bemühte sich, vermittelnd in den Streit an der Führungsspitze einzugreifen. Kreisvorsitzender Jean Angelov sprach sich dafür aus, den Erneuerungsprozess der Partei in einer «Verantwortungsgemeinschaft der Generationen» anzugehen, in der ehemalige CDU-Senatoren, Staatssekretäre und Bundestagsabgeordnete «dem Führungsnachwuchs der Berliner CDU als Rat gebende Instanz weiterhin zur Verfügung» stehen. Zudem regte Angelov an, alle in der Landespartei entstandenen Diskussionspapiere für eine «Strategie des Neuanfangs» in einer beim Landesvorstand angesiedelten Reformkommission zusammenzuführen.

Zur Berliner Morgenpost äußerte sich gestern erstmals der für eine mögliche Steffel-Nachfolge in weiten Teilen der Fraktion als Favorit geltende frühere Finanzsenator Peter Kurth zur Krise der Berliner CDU.

Herr Kurth, wem nutzt der gegenwärtige Streit in der Berliner CDU?

Peter Kurth : Vor allem dem politischen Gegner. Man profiliert sich als Opposition gegenüber dem Senat, nicht gegenüber früheren Mandatsträgern. Ein Abnabelungsprozess ist wichtig, es bringt aber nichts, ihn dauernd zu beschwören, ohne dass er inhaltlich erkennbar wird.

Parteiintern werden Sie schon als möglicher Nachfolger des in der Kritik stehenden Fraktionschefs Frank Steffel gehandelt. Wollen Sie denn Fraktionsvorsitzender werden?

Frank Steffel ist im November 2001 für die Hälfte der Legislaturperiode gewählt worden. Ob es vorgezogene Personalentscheidungen gibt, wird nicht über die Presse entschieden, sondern in der Fraktion der CDU.

Das klingt etwas ausweichend. Müssen Sie sich nicht doch, wie von einzelnen Landesvorstandsmitgliedern gefordert, öffentlich zum Thema Fraktionsvorsitz erklären?

Fraktionsinterne Personalentscheidungen werden nicht auf dem Marktplatz behandelt. Es bleibt dabei, diese gehören in die Fraktion.

Fanden Sie das Thesenpapier von Steffel vom Inhalt und Zeitpunkt her für die CDU hilfreich?

Die CDU muss an ihrem Sympathie- und Kompetenzprofil arbeiten. Insbesondere in Berlin. Das Papier ist nicht konkret und teilweise widersprüchlich.

Was sagen Sie denn zu der heftigen Kritik von Diepgen an Steffel?

Eberhard Diepgen hat sich öffentlich gegen den genauso öffentlichen Vorwurf gewandt, er habe Klientelpolitik betrieben. Das muss man verstehen, aber Auseinandersetzungen in dieser Form verstärken leider den Eindruck, die Union sei weniger mit Berlin als vielmehr mit sich selbst beschäftigt. Sie sorgen ferner für Verärgerung bei den eigenen Anhängern, und den Nutzen hat der politische Gegner.

Macht denn die CDU nicht gerade Klientelpolitik, zum Beispiel bei den Gewerkschaften?

Es gibt einen großen Konsens zwischen den Parteien, dass sich die Gewerkschaften in Berlin bewegen müssen. Anders bekommt man die Personalkosten nicht in den Griff. Der Senat hat hier leider seit 17 Monaten nicht viel erreicht, aber klar ist trotzdem: Die Gewerkschaften sind am Zug, und da sollte man auch keine Missverständnisse aufkommen lassen.

Ist in diesem Zusammenhang die Bundesratsinitiative des Senats zur Öffnung bei der Beamtenbesoldung ein Fortschritt?

Mehr Flexibilität in diesem Bereich macht Sinn, ist aber gerade für finanzschwache Länder ein großes Risiko. Absehbar ist bereits jetzt beispielsweise ein Wettbewerb um gute Lehrer. Und da werden die reichen Länder dann noch besser abschneiden als jetzt schon. Unabhängig davon ersetzt eine Flexibilisierung des Besoldungs- und Tarifrechts nicht die vom Senat anzugehenden Strukturreformen im öffentlichen Dienst.

In der CDU wird der Ruf laut, der Landesvorsitzende möge auf den Tisch hauen und die Querelen beenden. Fordern Sie auch ein Machtwort von Stölzl?

Es wäre gut, wenn Landes- und Fraktionsvorsitzender sich um ihre jeweiligen Bereiche kümmern. Ich bin sicher, dass Professor Stölzl mit Herrn Steffel das Notwendige bespricht.

Seit gestern kursiert der Name Wolfgang Schäuble als «Wunschkandidat» für die Besetzung des Spitzenamtes der Berliner CDU. Macht eine Außenlösung bei der Wahl des nächsten Landesvorsitzenden Sinn?

Nein. Herr Stölzl ist einer der beliebtesten Politiker der Stadt und als Quereinsteiger ein großer Gewinn. Vergnügungssteuerpflichtig ist seine Aufgabe ohnehin nicht.