Für liberale Unternehmer kommt der designierte Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf fast als der Gottseibeiuns daher. Stets dunkel gekleidet, ohne Krawatte, fast mürrische Gesichtszüge, wortkarg. Gregor Gysi, den eloquenten Medienstar, hatte man trotz des PDS-Parteibuchs akzeptiert als Werber für den hauptstädtischen Standort.
Aber mit dem ehemaligen Trotzkisten aus dem Westen, der sich in den 80er-Jahren in der Kreuzberger Szene tummelte und nach der Wende von den Grünen zur PDS überlief, ist die Show im Wirtschaftsressort vorbei.
Beim Small Talk auf den Cocktailempfängen wird der neue Wirtschafts- und Arbeitssenator seine Stärken sicher nicht ausspielen. Mit einnehmendem Wesen internationale Investoren an die Spree zu locken, ist nicht die Sache des 45 Jahre alten Politologen. Ihm käme eher entgegen, als Finanzsenator die leere Berliner Landeskasse zu hüten. Schon im Januar, als SPD und PDS ihr Bündnis schmiedeten, war Wolf als Finanzsenator im Gespräch. Aber die SPD behielt das Schlüsselressort für sich und besetzte es mit dem unbequemen Thilo Sarrazin.
Die PDS-Strategen wissen, dass Wolf kein Entertainer ist wie Gysi. Seine Sätze klingen oft zu technokratisch, um Begeisterung zu wecken. Dennoch war die Wahl des Berliner Landesverbandes nach Gysis Rückzug sogleich auf den gebürtigen Offenbacher gefallen. Denn der Finanzexperte ist der beste Mann der Berliner PDS und hat einen guten Draht zu SPD-Landeschef Peter Strieder. Auch mit dem Regierenden Klaus Wowereit kann Wolf ganz gut. Wolfs Ansehen als Finanz- und Haushaltsexperte reicht über die Parteigrenzen hinweg. Er kann auch nachts beim Bier Berliner Finanzdaten detailliert abrufen oder die strukturellen Probleme der Berliner Wasserbetriebe aufdröseln. Zur Aufklärung der Berliner Bankenaffäre hat wohl kaum ein Politiker so viel beigetragen wie der PDS-Fraktionschef.
1986 schloss sich der bekennende Sozialist Harald Wolf der westberliner Alternativen Liste an. 1989 verhandelte er als AL-Sprecher Berlins kurzlebige rot-grüne Koalition unter Walter Momper (SPD) aus. Als die Mauer fiel, sich die SED in PDS umbenannte und Gregor Gysi «demokratischen Sozialismus» predigte, hatte Wolf seine politische Heimat gefunden. Obwohl er als Kritiker des Staatssozialismus in der DDR Einreiseverbot hatte, wechselte er gemeinsam mit seinem Bruder Udo (heute Abgeordneter und stellvertretender Landeschef) die Seiten. 1991 zog er als Parteiloser auf PDS-Ticket ins Berliner Abgeordnetenhaus ein.
Vier Jahre später wurde der Verbindungsmann zu den linken und alternativen Milieus im West-Teil Fraktionschef. Seitdem arbeitet er zielstrebig daran, den einstmals «wüsten Haufen» Richtung Regierungsfähigkeit zu trimmen. Erst 1999 trat er jedoch in die PDS ein. Dass seine Partei einige Jahre früher als geplant ins Rote Rathaus eingezogen ist, verschafft dem begeisterten Segler eher Sorgenfalten als Triumphgefühle. Denn keiner weiß besser als er, wie dünn die Decke mit präsentablem Personal selbst im Hauptstadt-Landesverband der PDS ist. Und als Politikwissenschaftler sind ihm die programmatischen Ungereimtheiten der Partei gegenwärtig.
Harald Wolf wirbt seit Jahren für einen Sparkurs ohne Tabus, für Personalabbau im öffentlichen Dienst, befürwortet die Pleite von öffentlich subventionierten Bauträgern, die Privatisierung von Staatsfirmen und müht sich, die spezifische Berliner Verfilzung von Politik und Wirtschaftsleben zu beenden. So fragten sich zuletzt nicht nur einige seiner PDS-Genossen, wo bei Wolf denn der Sozialismus geblieben ist.